Seit
dem 1. Oktober ´76 steht er in Diensten der Raiffeisenbank
Waldkraiburg-Heldenstein eG., deren Vorstandsvorsitzender er nun schon
seit 1985 ist. Der Finanzmarktspezialist ist darüberhinaus noch mit Leib
und Seele Stadtrat, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft der Einkaufsstadt
Waldkraiburg und bekleidet außerdem mit großem Engagement zahlreiche
Ehrenämter. Die STADTBROSCHÜRE unterhielt sich ausführlich mit Hermann
Tischler.
Mit rund 60 Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Hauptstelle
und in den drei Zweigstellen gehört die Raiffeisenbank
Waldkraiburg-Heldenstein eG zu den bedeutendsten Geldinstituten in dieser
Region. Gibt es etwas, das Sie ändern würden, damit dies auch in Zukunft
so bleibt?
Wir erweitern zur Zeit unsere Hauptstelle in der Prager
Straße, um sie nach den neuesten Erkenntnissen und Notwendigkeiten für
die Zukunft auszurüsten. Wir errichten einen Anbau mit circa 420 m²,
werden Gesichtspunkten umorganisieren, um sie noch mehr auf die
Bedürfnisse unserer Kunden auszurichten.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag hier erinnern?
Das war der 1. Oktober 1976.
Sie gehören seit rund 21 Jahren dem Vorstand an, sind seit
1985 Vorstandsvorsitzender. Welche Abteilungen leiten Sie in diesem Hause
und wie lautet Ihre Erfolgsphilosophie?
Als Vorstand bin ich hauptsächlich zuständig für die
Ressorts Kreditgeschäft, Personalwesen, Betriebsorganisation und
Öffentlichkeitsarbeit. Meine Erfolgsphilosophie lautet: Mitarbeiter
einbinden in die Entscheidungsprozesse, im Team die Probleme angehen,
durch Sachargumente überzeugen.
Welche Voraussetzungen muß ein Bankvorstand erfüllen?
Er muß eine fundierte Ausbildung vorweisen, um die
fachlichen Voraussetzungen nach dem Kreditwesengesetz erfüllen zu
können, muß über eine entsprechende Berufserfahrung verfügen, solide
und belastbar sein, vor allem auch Streß aushalten können - und er muß
Führungsqualitäten besitzen.
Können Sie uns Ihren persönlichen Werdegang schildern?
Meine Ausbildung zum Bankkaufmann erhielt ich in der
Raiffeisenbank Passau, wo ich dann später auch als Zweigstellenleiter
tätig war. 1969 wechselte ich zum Bayerischen Raiffeisenverband,
absolvierte dort eine Prüferausbildung und war von 1972 bis 1976 als
Verbandsprüfer im Prüfungsbezirk Passau eingesetzt. Bei dieser
Tätigkeit habe ich wichtige Erfahrungen sammeln können, die mir dann
auch bei der Übernahme dieser Vorstandsposition hier in Waldkraiburg sehr
weitergeholfen haben. Es ist sehr wertvoll, wenn man auch andere Betriebe
kennengelernt und verschiedene Arbeitsweisen miterlebt hat.
Werden Leute von Ihrem Verstand oder Ihrem Vorstandstitel
eingeschüchtert?
Ich bin keineswegs darauf bedacht, daß man mich mit »Herr
Direktor« anspricht. Der Titel steht weder auf dem Türschild noch auf
meinem Briefpapier. Außerdem muß der Kunde bei mir nicht erst durch zwei
Vorzimmer gehen, bis er mich erreichen kann. Ich bin auch räumlich in das
betriebliche Geschehen unserer Bank eingebunden. Ich baue nicht durch
einen Titel oder sonstige Bezeichnung eine Hürde auf. Im Gegenteil, ich
möchte für die Wünsche meiner Kunden und die Probleme meiner
Mitarbeiter offen und zugänglich sein.
Was unterscheidet Ihre Bank von den anderen?
Es gibt wesentliche Unterschiede, die in der Philosophie
unserer Genossenschaftsbanden begründet sind. Unsere Kunden sind häufig
auch gleichzeitig als Mitglieder Teilhaber des Unternehmens. Das heißt,
wir richten uns auf die örtlichen Geschäftsfelder aus, sind im Dienste
unserer Kunden und Mitglieder tätig, sind dezentral strukturiert, haben
kein Filialsystem und sind eine gegenständige Bank, die ihre Prozesse
selbst steuert. Wir sind vor Ort in jeder Konsequenz entscheidungsbefugt,
planen die geschäftspolitische Strategie und stellen unser Personal
selbst ein. Alle anderen Banken am Ort sind Zweigstellen. Das bringt uns
und unseren Kunden natürlich ganz praktische Vorteile, weil
Entscheidungen nicht am »grünen Tisch« einer fernen Befehlszentrale in
Rosenheim, München oder Frankfurt gefällt werden.
Gab es auch mal Niederlagen? Erinnern Sie sich doch mal an den
Fall, der Ihrer Bank das meiste Geld gekostet hat, wo sie mal wirklich so
richtig draufgezahlt haben.
Natürlich gibt es im Kreditgeschäft auch mal Ausfälle, wie
bei allen anderen Geschäften auch. Eine Bank ist doch mit den selben
Risiken behaftet, wie jedes andere Unternehmen. Sie werden allerdings
Verständnis dafür zeigen, daß ich Ihnen hier keine konkreten Beispiele
nennen kann. Grundsätzlich kann ich Ihnen sagen, daß wir bisher durch
eine solide Geschäftspolitik Kreditrisiken auf ein Mindestmaß
beschränken konnten und daß zu keiner Zeit ein Nachteil oder Schaden
für unsere Mitglieder und Kunden entstanden ist.
Hat sich das Verhalten der Geldanleger im Laufe der Jahre
geändert, sind sie heute risikofreudiger, oder eher umgekehrt?
Wir sehen im Anlageverhalten unserer Kunden ein zunehmendes
Renditebewußtsein, verbunden mit einer Minimierung des Risikos. Das
heißt, der Kunde verlangt zwar noch Anlagemöglichkeiten, die einen
lukrativen Zins bieten, aber dennoch sicher sind. Das Interesse danach
entsteht zunehmend zum einen aufgrund wachsender Medieninformationen, zum
anderen auch durch die qualifizierte Beratung, die wir hier anbieten. Das
hat sicher dazu beigetragen, daß die Ansprüche unserer Kunden auf
relativ hohem Niveau basieren und uns herausfordern, Produktentwicklung
zubetrieben, die diesen Vorstellungen entspricht.
Wann werden die Volks- und Raiffeisenbanken ihre
Eigenständigkeit aufgeben und sich auf höherer Ebene zusammenschließen?
Die strukturellen Vorteile der eingangs erwähnten
Eigenständigkeit lassen einen Zusammenschluß gar nicht erstrebenswert
erscheinen. Gleichwohl wird es weiterhin einen Konzentrationsprozeß geben, der sich daran orientiert, leistungsfähige Betrieseinheiten zu
erreichen, Größenordnungen zu schaffen, die sich am Markt gut behaupten
können und die optimiert sind in der Kosten- und Nutzen-Relation.
Die Werbung um neue Kunden hat sich in den letzten Jahren
sicherlich auch verändert. Wie lenken Sie die Aufmerksamkeit der
Verbraucher auf die Vorzüge Ihrer Bank?
In dem wir auf die Besonderheiten unserer Bank hinweisen. Zum
einen ist das die Ortsbezogenheit, zum anderen ist es die persönliche
Komponente mit dem Bemühen um unsere Kunden und deren persönliche
Betreuung. Wie gesagt, wir treffen hier vor Ort alle Entscheidungen, das
bringt Vorteile für den Kunden in Bezug auf Individualität und
Schnelligkeit. Außerdem hat er die Möglichkeit, als Mitglied über die
Gremien Generalversammlung oder Aufsichtsrat auf die Gestaltung der
Geschäftspolitik Einfluß zu nehmen. Die genossenschaftliche Idee der
Selbsthilfe und Selbstverantwortung baut auf Tradition auf und ist heute
so modern, wie eh und je.
Können Sie ein paar Zahlen nennen, die uns die Marktpräsenz
Ihrer Bank verdeutlichen?
Unser Bilanzvolumen liegt mittlerweile bei rund 300 Millionen
Mark, davon wurde der größte Teil in Form von Krediten, nämlich 230
Millionen, ausgeliehen. Eine etwa gleichhohe Summe haben wir auch im
Einlagenbereich zu verzeichnen. Wir verwalten etwa 27.000 Kundenkonten und
haben zur Zeit knapp 4.000 Bankteilhaber durch Mitgliedschaft.
Vor dem Hintergrund einer allgemeinen pessimistischen
Grundstimmung hieß die Parole vieler deutscher Unternehmen im
abgelaufenen Geschäftsjahr 1996 Konsolidieren und Umsatz halten. Trifft
das auch für Ihre Bank zu?
Wir konnten auch im letzten Jahr erfreuliche Zuwachsraten
verzeichnen, das Kreditgeschäft hat sich um eine zweistellige Prozentzahl
erhöht, ebenso das Einlagengeschäft. Insofern trifft diese Aussage auf
unsere Bank nicht zu.
Kranken Firmen deshalb so oft, weil die allgemeine
Zahlungsmorale derzeit so miserabel ist?
Die ist in der Tat beklagenswert. Ich bin allerdings der
Meinung, daß sie nur ein Punkt in der Palette von Gründen ist, wenn
wirtschaftliche Probleme auftreten. Leider liegt die tiefere Ursache
häufig im Management. Gegen die schlechte Zahlungsmoral hilft ein
konsequentes Mahnverfahren, das aber gerade bei kleinen Handwerksbetrieben
sehr oft vernachlässigt wird, weil dazu zu wenig Zeit verwendet wird.
Als Bankdirektor sind Sie mit 250.000 DM jährlich, netto
versteht sich, sicherlich bestens bezahlt, oder?
Die Summe stimmt natürlich nicht...
... ist es doch noch etwas mehr?
Nein, natürlich sehr viel weniger. Ich bezeichne mein Gehalt
als leistungsgerechte Bezahlung. Dabei trage ich eine hohe Verantwortung
gegenüber meinem Arbeitgeber für den geschäftlichen Erfolg. Ich
vertrete meine Bank auch nach außen hin, habe nicht nur einen
Acht-Stunden-Tag zu leisten, sondern muß auch nach Dienstschluß sehr oft
Termine wahrnehmen.
Was tun Sie mit Ihrem Geld, um Spaß zu haben?
Ich habe zum Beispiel vor einiger Zeit einen Wintergarten an
unser Haus gebaut, der mir und meiner Familie sehr viel Freude bereitet
und unsere Lebensqualität verbessert. Das ist für mich sehr wichtig.
Wie würden Sie Reichtum definieren?
Reichtum ist sicherlich nicht eine Frage des Geldes. Es sind
andere Werte, die mit dem Herzen zu tun haben, sicherlich nicht mit Geld.
Was raten Sie Ihren Kunden, die über 5.000 bis 10.000 DM
Anlagevermögen verfügen.
Wenn sonst kein Vermögen vorhanden ist, dann gehören sie
auf ein Sparbuch, um für eine Reserve zu sorgen. Wenn diese Summe
allerdings frei verfügbar ist, würde ich Sparbriefe oder
Wachstumszertifikate empfehlen.
Und denen, die ein- bis zweistellige Millionenvermögen anlegen
wollen?
Da ist es sicher angebracht, eine Anlagestrategie aufzubauen.
Ich empfehle hier in jedem Fall auch die Immobilienanlage miteinzubeziehen,
Aktienwerte, Sondersparformen, festverzinsliche Wertpapiere, aber auch die
Risikorücklage nicht zu vergessen, die eine schnelle Verfügbarkeit des
Geldes ermöglicht.
Was sind denn Ihre persönlichen Aktienfavoriten 1997?
Wenn wir uns auf die Branchen konzentrieren, die wir als zukunftsträchtig
einschätzen, dann dürfen es 1997 die Automobilwerte
sein, Aktien des Maschinenbaues, der Telekommunikation und der EDV.
Wie lange, glauben Sie, sind die Zinsen noch so niedrig?
Tischler: Die Niedrigzinsphase währt eigentlich schon überraschend
lange. Man hat ja schon im zweiten Halbjahr ´96 erwartet, die Zinsen
würden wieder steigen, aber das ist nicht eingetreten. Ich denke aber
doch, daß man in den nächsten ein bis zwei Jahren mit steigenden Zinsen
rechnen muß.
Angst vor dem Euro?
Keineswegs, wenn man bedenkt, daß die gemeinsame Währung ja
auch Vorteile bringen wird, zum Beispiel für die Exportwirtschaft und
für die Sicherheit von Arbeitsplätzen. Wichtig ist, zu erkennen, daß
die Einführung des Euro keine Währungsreform bedeutet, sondern lediglich
eine andere Recheneinheit bringt.
Sollten die Politiker die Währungsunion angesichts der
derzeitigen Probleme nicht besser verschieben oder am besten ganz fallen
lassen? Italien, Großbritannien und andere Länder bleiben nach
derzeitigem Stand draußen vor der Tür. Neuesten Berechnungen nach
schafft es nicht einmal die Bundesrepublik, die von ihr selbst geforderten
Mindestanforderungen einzuhalten.
Ich bin der Meinung, daß es nicht sehr viel Sinn bringt, den
Termin 1. 1. 1999 zu verschieben. Die Vorbereitungen sind zu weit
fortgeschritten.
Haben Sie selbst Ihr Vermögen schon Euro-sicher umgeschichtet?
Ich habe mein Vermögen in Immobilienbesitz angelegt, in Form
eines eigenen Hauses. Da gibt es nichts mehr umzuschichten.
Wem würden Sie kein Geld anvertrauen, auch wenn der Profit noch so groß wäre?
Wo große Profite in Aussicht gestellt werden, ist auch die
Frage nach dem Risiko zu stellen. Wenn Ihnen heute in der Niedrigzinsphase
jemand eine Geldanlage empfiehlt, die mehr als 10 Prozent verspricht, dann
müssen Sie auch in Kauf nehmen, bei dieser Anlage Ihr Geld ganz oder
teilweise zu verlieren.
Ein Blick in die persönliche Zukunft: Wie lange planen Sie,
ihre Tätigkeit noch auszuüben?
Ich habe meinen Dienstvertrag, und der ist auf das 65.
Lebensjahr ausgerichtet. Bis zu dieser Zeit habe ich jedenfalls vor, für
meine Bank tätig zu sein und mein Bestes zu geben.
Sie werden in diesem Jahr 53, haben Sie irgendeine Beziehung
dazu?
Es sind fast 53 Jahre, daß wir in Frieden und Freiheit leben
können.
Sie sind auch Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft
Einkaufsstadt Waldkraiburg e.V. Welche Aufgaben hat sich dieser Verein
vorgenommen, welche Ziele sollen erreicht werden?
Wir wollen weiter daran arbeiten, die Lebensqualität in
unserer Stadt zu verbessern, unsere Position als Einkaufsstadt zu
stärken, das Angebot sowohl in der Tiefe als auch in der Breite zu
vervollständigen. Der Fachhandel muß seine spezifischen Stärken, die in
der persönlichen Beratung und im Service liegen, noch besser vom großen
Kaufhausangebot abheben.
Und welchen Traum würden Sie sich persönlich gerne erfüllen?
Mit meiner Familie zusammen eine Weltreise machen.
Wenn Sie zum Geburtstag ein Glückwunschtelegramm bekämen,
wessen Namen würden Sie am liebsten darunter sehren? den von Helmut Kohl,
vom Papst, von Nelson Mandela oder Andre Kostolany?
Von Helmut Kohl.
Mal ehrlich, gibt es jemanden, dem Sie mal eins auswischen
möchten?
ja, aber ich verrate nicht, wer es ist.
Widersprechen Ihnen Ihre Angestellten, wenn es sein
muß?
Es gehört zu unserem Führungsstil, daß wir unsere
Mitarbeiter mit in die Verantwortung und Entscheidungsprozesse
einbeziehen. Da muß man auch Kritik ernstnehmen.
Sind Sie schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt
geraten?
Außer einem Bußgeld wegen einer
Geschwindigkeitsübertretung, nicht.
Haben Sie eine Meinung dazu, was »danach« kommt?
Ich bin evangelischer Christ und für mich gibt es auch ein
Leben »danach«.
Was ist für Sie der Sinn des Lebens?
Meine Aufgaben zu erfüllen, mein Leben so zu leben, daß
ich...
Darf ich mal unterbrechen? Gibt es auch irgendetwas, was nicht
perfekt an Ihnen ist? Wann haben Sie denn zuletzt einen draufgemacht?
Oh Gott, ich weiß nicht mehr, wann das war.
Akzeptiert? Zum Schluß beginnen wir aber noch einige Sätze,
die Sie bitte zu Ende führen wollen: Wenn ich heute könnte wie ich
sollte, würde ich...
... mir etwas mehr Freizeit gönnen.
Meine Bank bedeutet mir...
... berufliche Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeit und
wirtschaftliche Existenzgrundlage.
Wenn ich nicht in Waldkraiburg wohnen
müßte, dann
würde ich...
... gerne wieder in Passau wohnen.
Einen Seitensprung würde ich...
... nicht machen.
Geld bedeutet mir...
... eine gewisse Sicherheit, aber nicht alles.
Ich bin neidisch auf...
... die Fähigkeiten von Menschen, die künstlerisch begabt
sind.
Ich halte Waldkraiburgs Bürgermeister für eine...
... Persönlichkeit, die ich sehr schätze und die ihre
Aufgabe sehr gut macht.
Der wichtigste Rat meiner Mutter war...
... im Leben anständig und ehrlich zu sein.
Ich finde Ihre Interview-Fragen...
... sehr gut aufeinander abgestimmt.
Herr Tischler,
wir danken Ihnen für dieses Interview.
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