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HANS STEINDL

Bürgermeister
Edition: Burghausen
2007/08

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Ganz schön dynamisch - Bürgermeister Hans Steindl hält seine Karriere mit Perfektion in Schwung, verbindet Lust und Freude an seiner Arbeit mit immer neuen Ideen und motiviert sich selbst von Beginn an durch Erfolg

 

Herr Steindl, viele Jahre sind vergangen, in denen Sie als Bürgermeister die Geschicke der Stadt lenken. Zufrieden mit dem Erreichten?

Es sind jetzt fast achtzehn Jahre in denen ich das Glück hatte, in Burghausen eine führende Position einzunehmen. Und wenn ich heute Bilanz ziehe, kann ich sagen, dass ich nahezu jede Entscheidung wieder so treffen würde, dass wir risikobereit waren, dass wir auch viel Glück hatten mit unserer wirtschaftlichen Entwicklung und dass Burghausen heute so gut dasteht, wie noch nie in der Stadtgeschichte. Wir schreiben lauter Rekordzahlen sowohl in finanziellen als auch in wirtschaftlichen Bereichen, was zum Beispiel die Zahl der 17.000 Arbeitsplätze bei 18.000 Einwohnern betrifft. Für Burghausen hätte es nicht besser laufen können.

Wie würden Sie selbst Ihr Amtsverständnis beschreiben? Sehen Sie sich eher als Moderator, leitender Angestellter der Burghausen AG, Vorstandsvorsitzender eines modernen, kundenorientierten Dienstleistungsunternehmens oder Chef der Stadtverwaltung?

Moderator wäre mir zu wenig. Ich bin ja bekannt dafür, dass ich selber Ideen entwickle und diese dann auch sehr selbstbewusst und auch sehr energisch verfolge, dass ich das Tempo und den Rhythmus bestimmen möchte und dass ich versuche, auch meine Mitarbeiter für diese Idee zu gewinnen, sie zu motivieren, das Optimale aus ihnen heraus zu holen. Nur als Verwalter oder Chef der Stadtverwaltung hätte die Stadt Burghausen nicht das erreicht, wo sie heute steht.

Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer hat einmal gesagt, dass „die Verwandlung des Amtes durch den Menschen etwas länger” dauere als „die Verwandlung des Menschen durch das Amt”. Welche Veränderungen haben Sie bisher an sich selbst festgestellt? Hat sich im Lauf der Jahre Ihr Amtsverständnis verändert?

Natürlich prägt eine Amtsführung auch eine persönliche Entwicklung. Man ist ja nicht alleine, hat Familie und ein unmittelbares Umfeld, das man auch entspre- chend einbinden muss und wo Abstimmungen notwendig sind. Ich für meinen Teil möchte behaupten, dass ich diese Amtsvorstellung, die ich hatte, mit meiner Persönlichkeit umsetzen konnte - ohne mich viel verbiegen zu müssen.

Sie kennen den Spitznamen, den man Ihnen im Laufe der Jahre zuteil werden ließ?

Es gibt mehrere, ich weiß jetzt nicht auf welchen sie konkret ansprechen.

LG für „Lieber Gott“.

Ja, das ist eine Umschreibung, die irgendwann einmal zustande gekommen ist. Ich habe sie ab und zu mal gehört, nehme sie aber jetzt nicht so ernst im Sinn der Wortbedeutung. Dass ein Burghauser Bürgermeister eine dominierende Rolle zu spielen hat und dass das mit meiner Amtsauffassung jetzt zusammenpasst, ist einfach eine Tatsache - Burghausen hat dabei nur profitiert.

Blicken wir auf Ihre bisherige Amtszeit zurück: Welche positiven Entwicklungen und Erfolge haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Rathauschef auf den Weg gebracht?

Da gibt es schon viele erwähnenswerte Punkte. Ich mache es mal in einem Da- tum fest: der 3. Oktober 2004, Ende der von rund einer Millionen Menschen besuchten Landesgartenschau. 10.000 begeisterte Besucher sahen eine faszinie- rende Abschlussvorstellung im Stadtpark, während am gleichen Tag die Fußball- mannschaft des SV Wacker im Grünwalder Stadion gegen 1860 München vor ebenfalls 10.000 Burghausern 4:2 gewinnt. Das zeigt zwei Facetten: Zum einen sind wir sportlich gesehen in den obersten Bereichen konkurrenzfähig und bun- desweit in aller Munde gewesen. Zum anderen, dass wir uns zutrauen, als bisher kleinste Stadt sogar eine Landesgartenschau durchzuführen - was zeigt, dass Burghausen auf allen Ebenen leistungsfähiger, selbstbewusster geworden ist, was ja auch durch die Wirtschaftszahlen unterstrichen wird. Für die nächsten zwei Jahre beträgt das Investitionsvolumen der Industrie hier rund zwei Milliarden Euro. Burghausen hat 18.000 Einwohner und 17.000 Arbeitsplätze. Das ist gigantisch und allein diese drei Beispiele zeigen, dass Burghausen den Spitzenstand seiner Möglichkeiten erreicht hat.

Was war während Ihrer Amtszeit nicht durchsetzbar?

Die Ortsumgehung von Burghausen im Zuge der B20. Ein ganz dringendes Pro- blem für uns, denn wir ersticken aufgrund des LKW-Aufkommens im Verkehr. Leider können wir uns mit der Nachbargemeinde Mehring nicht über die not- wendige Trassenführung einigen, obwohl wir aus Sicht des Stadtrates alles getan haben, um diese Ortsumfahrung bauen zu können und uns sogar, wie der Landkreis auch, als Finanzier angeboten haben. Wir brauchen dazu einfach das Einverständnis der Nachbargemeinde und hoffen auf deren Solidarität. Dasselbe gilt für die Bahnlinie, die mitten durch Burghausen führt. Wir können keine eige- ne Bahnlinie bauen. Einerseits ist das Sache des Bundes, andererseits würde uns das auch finanziell völlig überfordern. Wir brauchen aber dringend zwischen München, Mühldorf und Tüßling zweite Gleise, eine Elektrifizierung und im Be- reich Burghausen Möglichkeiten einer Lärmreduzierung der Züge.

Ein wesentliches Kennzeichen einer effektiven Standortpolitik ist eine vorausschauende Gewerbepolitik. Wie ist der Stand der Dinge?

Die Dinge, die wir in Burghausen durchsetzen konnten, haben wir aus meiner Sicht auch alle durchgesetzt. Zum Thema Jugendarbeit ist zu sagen, dass wir Anfang der 90er Jahre, also lange vor der jetzigen Bundesdebatte, bereits Hortgruppen eingeführt haben. Sechs Kinderhorte gibt es mittlerweile in der Stadt, wir haben eine Musikschule aufgebaut, Sportvereine massiv unterstützt und dabei aber auch gefordert, spezielle Angebote für die Jugend bereitzustellen. Ich habe mich persönlich immer wieder sehr stark für dieses Thema engagiert, schon aufgrund meiner pädagogischen Vergangenheit als Lehrer.

Thema Grundstückspolitik. 

Durch den Ankauf zahlreicher Grundstücke konnten wir vielen Bürgern die Möglichkeit geben, selbst zu bauen. Allein in den letzten zehn Jahren wurden über 200 Grundstücke für Bauwillige von Seiten der Stadt verkauft, mittlerweile haben wir jetzt auch ein Förderprogramm für Bauwillige und zuzugswillige Neubürger und Familien eingeführt.

Ein Blick in die Zukunft.

Wir werden zum Beispiel mit dem Ausbau des Hallenbades als Wellness- und Erlebnisbad eine eigene Marketingstrategie fahren, werden im Bereich der Touristik unser Profil als Kongress- und Tagungsort noch stärker am Markt etablieren und wir werden natürlich versuchen, in den Bereichen Kultur und Profisport die Wertmarke Burghausen weiter zu stabilisieren.

Welche Botschaft haben Sie an die jugendlichen Bürger?

Sicher ist es immer schwieriger für die jungen Leute, im Beruf Fuß zu fassen. Ich habe selbst zwei Söhne, die noch in der Ausbildung sind. Da merkt man schnell, dass es für sie in der heutigen Zeit durch den großen Konkurrenzkampf nicht einfach ist. Andererseits haben junge Menschen aber auch Möglichkeiten, die es früher nicht gab. Das Internet bietet Möglichkeiten, sich zu informieren, Sprachen zu lernen, leichter Auslandskontakte zu knüpfen. Europa ist größer geworden, die Grenzen sind gefallen - das kann für junge Menschen spannend und interessant sein und eine echte Herausforderung bedeuten. Und dazu sollten wir sie gemeinsam ermuntern und ihnen Mut zusprechen, ihre Zukunft engagiert anzugehen.

Alternative Familienformen werden immer häufiger. Ist das klassische Familienmodell überhaupt noch durchführbar?

Hier wird mir zu viel in formelhaften Begriffen gesprochen, die Realität schaut ganz anders aus. Wir haben heute viele zerrüttete Familien, wir haben sehr viele Single-Haushalte, jeder muss schauen, dass er zurechtkommt, jeder hat aber auch entsprechende Beratung und Förderung verdient. Ich meine auch nicht, dass man einem Idealtypus nachweinen sollte. Eine Stadt hat die Aufgabe, für diese verschiedenen Familienformen entsprechende Möglichkeiten bereitzustellen. Stichwort: Horte, Krippen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Förderung von kinderreichen Familien - das sind die Notwendigkeiten. Die andere Debatte ist mir viel zu idiologisch.

Kann eine Stadtverwaltung Väter und Mütter unterstützen, zum Beispiel mit kostenlosen Kindergartenplätzen? 

Eine gute Frage, die bei uns bereits heiß diskutiert wurde. Ich habe hier aber gegen den anfänglichen Widerstand mit Stadtratsmehrheit durchsetzen können, dass zum Beispiel das dritte Kindergartenjahr, also bevor die Kinder in die Grundschule kommen, vollständig von der Stadt getragen wird. Das macht immerhin 150.000 Euro im Jahr aus, mit denen wir den Familien ganz gezielt finanziell helfen können. Eine wesentliche finanzielle Erleichterung bringt auch die Regelung, dass für das zweite und dritte Kind, das gleichzeitig den Kindergarten besucht, nur 50 Prozent der Gebühren anfallen. Wir übernehmen außerdem als mittlerweile einzige Gemeinde in Bayern noch das Büchergeld für die Grund- und Hauptschulen.

Sehen Sie die Versorgung älterer oder wenig mobiler Menschen im Zentrum noch gewährleistet? 

Das Problem nehmen wir sehr ernst. Beispiel Altstadtmarkt: als dieser letzte Edeka-Markt geschlossen wurde, hat sich die Stadt mit ihrer Wirtschaftsförderung sehr engagiert. Wir haben uns um die Neuverpachtung gekümmert und ich glaube, dass wir damit im Moment eine sehr befriedigende Situation in der Altstadt geschaffen haben. Auch als der Edeka-Markt gegenüber dem Bürger- haus auszog, gab es sehr viele ältere Bürger, die an uns herangetreten sind und darauf drängten, dort wieder einen Lebensmittelmarkt zu errichten. Auch das haben wir geschafft: seit Mitte Juli ist Edeka dort mit einem Frischsortiment- Angebot wieder vertreten. Ich glaube schon, dass die kurzen Wege in Burghausen nach wie vor gewährleistet sind, außerdem fährt der Citybus die Bürger fast überall bis vor die Haustüre.

Die größten Investitionen der vergangenen Jahre?

Wir haben das Stadtzentrum in der Neustadt ausgebaut, wozu viele Grund- stückserwerbungen notwendig waren und über zwanzig Millionen Euro seitens der Stadt aufgewendet wurden. Hinzu kamen die Ausbaumaßnahmen der Tief- garagen, Straßenbauten, Stadtparkanlage und die Messehalle. Das nahm noch einmal fünfzehn Millionen Euro in Anspruch. Der Umbau des Hallenbades zum Erlebnisbad ist mit circa fünfzehn Millionen Euro veranschlagt, der Wacker- Sportpark wurde mit knapp zwanzig Millionen Euro ausgebaut. Wir unterstützen den Landkreis beim Krankenhaus und bei den Gymnasien mit Zuschüssen, damit auch hier die Versorgungsfunktion auf einem Optimum geführt werden kann.

Wo sehen Sie Ihre persönlichen Stärken?

Ich sehe mich als sehr entscheidungsfreudig, entwickle gerne neue Ideen, habe aber auch Visionen, wie zum Beispiel Mut zur modernen Architektur in der Neu- stadt, einen Burgaufzug als bautechnische und gestalterische Meisterleistung oder die Integration moderner Kunst in unser Stadtbild. Ich stehe für die Umsetzung dieser Ideen, die Entwicklung dazu notwendiger Energien.

Wie beurteilen Sie die finanzielle Gesamtsituation in Burghausen?

Hervorragend - welche Stadt kann schon von sich behaupten, nahezu alle wünschbaren Projekte aus eigener Kraft finanzieren zu können?

Wo steht Burghausen in zwanzig Jahren?

Wenn Burghausen in zwanzig Jahren noch da steht, wo es heute steht, dann können alle sehr glücklich sein.

Bürgernähe ist eines Ihrer Markenzeichen. Lässt sich diese Art des Bürgerdialoges noch weiter entwickeln?

Ich betreibe eine sehr bürgernahe Politik, bin nahezu jeden Tag mit Vereinen, Gruppen und somit also auch Bürgern aus Burghausen in Kontakt. Ich kenne deren Sorgen, deren Nöte, die oftmals innerhalb weniger Tage zu ihrer Zufrie- denheit erledigt werden können. Die Burghauser verstehen auch Feste zu feiern und sich entsprechend darzustellen, haben es geschafft, ein Wir-Gefühl zu er- zeugen, geprägt vom Stolz des Geschaffenen. Dieses Wir-Gefühl erfüllt auch mich mit Stolz und ist mir ein echtes Bedürfnis, es auch in Zukunft zu pflegen. Es wird keine leichte Aufgabe sein, das jetzige Niveau in den Bereichen Kultur, Sport und Wirtschaft zu halten, weil wir ja nicht konkurrenzlos sind. Andere Städte ziehen da bereits nach.

Apropos Niveau, was sagen Sie zu Stoibers politischem Abgang?

Diesen Abgang hat ein Land wie Bayern natürlich nicht verdient, schon weil wir da auch ein wenig zum Gespött in ganz Deutschland geworden sind. Mit dem Abschied von Berlin wurde die erste Spottrunde eröffnet, die zweite wurde mit dem Trauerspiel von Kreuth ins Leben gerufen. Wie die Sache letztendlich ausgeht ist allerdings ungewiss, denn dass sich Stoiber aus der Politik zurückziehen wird, glaubt wohl immer noch keiner.

An was soll man eines fernen Tages als Erstes denken, wenn man sich an Bürgermeister Steindl erinnert?

An eine spannende, dynamische, ideenreiche Entwicklung in Burghausen. An einen Mann der Risiken eingegangen ist, der vorwärts marschiert ist und dessen ganze Liebe eigentlich Burghausen gegolten hat. Der immer gesagt hat: Hier bin ich, hier bleibe ich, hier möchte ich arbeiten, hier möchte ich etwas erreichen - zusammen mit den Bürgern. Ich bin sicher nicht der Typ, zu dessen Ehren man eine Straße benennen soll, ich brauche auch keine Ehrenurkunden oder Orden. Mich interessiert vielmehr das Geschaffene.

Zum Schluss vielleicht noch einen Appell an die Bürger?

Erinnern Sie sich noch an das Werbeschild „Ich bin ein Burghauser“, dass viele Bürger stolz auf Ihren Wagen klebten? Mein Appell an die Bürger geht genau in diese Richtung: Zeigt dieses Wir-Gefühl, glaubt weiter an Burghausen, haltet so zusammen wie in der Vergangenheit, zeigt Euren Stolz auf diese wunderschöne Stadt, die auch von ihren Gästen in den höchsten Tönen gelobt wird. Entdecken wir wieder, wie schön wir es eigentlich in Burghausen haben.

Herr Steindl, besten Dank für das Gespräch.

     
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