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HANS STEINDL

Bürgermeister
Edition: Burghausen
1995

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Ein Anruf genügte und schon hatte die STADTBROSCHÜRE einen Gesprächstermin mit dem Mann, der den ansehnlichen Ruf genießt, wieder einmal ein Glücksfall für Burghausen zu sein. Eine Tatsache, die nicht jeder in Anspruch nehmen darf,  der als Bürgermeister einer bayerischen Stadt mit den täglich anfallenden Problemen und manchmal auch unpopulären Entscheidungen zu kämpfen hat. Es jedem Recht zu tun, ist oftmals kapriziös und zeitaufwendig. Aber Hans Steindl nimmt seinen Amtstitel »Bürgermeister« sehr ernst. Ein kurzfristiger Gesprächstermin mit ihm ist kein Privileg der STADTBROSCHÜRE, denn Bürgernähe ist eine der Eigenschaften, die ihn so beliebt gemacht haben. In der STADTBROSCHÜRE redet er Klartext - über seine Politischen und Privaten Perspektiven.

 

Herr Steindl, fangen wir klein an, erklären Sie uns die Zukunft.

Man sollte sich davor hüten, die Zukunft erklären zu wollen, es gibt höchstens Spekulationen, Zurückhaltung ist geboten. Wie steht es schon bei Matthäus 13: „Ein Prophet gilt nirgends weniger denn in seinem Vaterland und in seinem Hause“.

Können Sie uns Ihren beruflichen Werdegang in Kurzform schildern?

Ich bin 1949 in Burghausen geboren, meine Eltern und Großeltern waren, beziehungsweise sind eingefleischte Burghauser. Ich bin ein sogenanntes „Kind der Nachkriegsgeneration“, habe hier die Schule besucht, den Wehrdienst in Traunstein absolviert und in München ein Studium für Politikwissenschaft, Sport und Geschichte abgeschlossen. Nach einigen Rundreisen in Bayern als Referendar kam ich auf eigenen Wunsch ans Aventinus-Gymnasium in Burghausen, wo ich bis zu meiner Wahl als Bürgermeister als Lehrer, vorwiegend für die Oberstufe, tätig war.

Bürgernähe ist eine der Eigenschaften, die man Ihnen besonders hoch anrechnet. Ist das reine Philosophie oder steckt mehr dahinter?

Ich habe mich sehr früh gegen ein Engagement auf Bundes- oder  Landesebene in der sogenannten „großen Parteipolitik“ entschieden. Mich hat von Anfang an mehr der unmittelbare Zugang und Kontakt mit Menschen gereizt, das Gespräch vor Ort, die Möglichkeit, eigene Ideen und Vorhaben auch selbst umsetzen zu können und das ist in der heutigen politischen Konstellation, wo Parteien den Abgeordneten mehr oder minder zum Sprachrohr degradieren, eigentlich nur noch in der Kommunalpolitik mit einer gewissen Unabhängigkeit nach allen Seiten möglich.

Bürgernähe bringt aber sicherlich auch Probleme mit sich. Viele kennen Sie noch aus Ihrer Zeit als Lehrer am Gymnasium, als langjähriges Mitglied im Stadtrat, außerdem sind Sie ein gerngesehener Gast, zum Beispiel der Burghauser Gastronomie. Ist es da nicht oft schwer, Privatleben und Bürgermeisteramt zu trennen?

Eine Trennung zwischen Privatleben und der Amtsperson ist praktisch in einer Stadt mit überschaubaren Verhältnissen nicht möglich, man ist quasi immer „im Amt“, jederzeit ansprechbar. Das Berufsmäßige und Offizielle drängt vielfach den privaten Bereich völlig in den Hintergrund. Darüber muß man sich klar sein und auch hier sicherlich die meisten Abstriche für den privaten Bereich und die Gestaltung dieses privaten Bereichs hinnehmen. 

Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie einem Bürger negativen Bescheid geben müssen, beispielsweise bei einer Bauanfrage? Unpopuläre Dinge zu vertreten ist ja nicht jedermanns Sache.

Die Zeit für nur populäre Entscheidungen ist sicher vorbei, die Entscheidungsfindung ist heute vielfach in ein Geflecht von Gesetzen und Verordnung- en, die man in der Entstehung selbst gar nicht zu verantworten hat, eingebunden und hier gibt es oft nur sehr geringe Ermessensspielräume und somit auch viele Entscheidungen, wo man einem „weh tun muß“ oder wo nicht alle mit dieser Entscheidung einverstanden sein werden. Denken wir nur an das Baurecht, wo die Stadt ja eigentlich nur Vollzugsbehörde ist und in den Fragen der Genehmigung die Ermessensspielräume eigentlich immer kleiner geworden sind. 

Was verlangen Sie von Ihren Mitarbeitern im Rathaus außer Leistung?

Ich verlange von Mitarbeitern sicher sehr viel. Das Ziel ist es, das unverdient schlechte Image des öffentlichen Dienstes zu ändern, da ich glaube, daß unsere Mitarbeiter genauso motiviert und leistungsfähig sind, wie diejenigen in der Privatwirtschaft und dies auch bei einem hohen Kenntnis- und Ausbildungsstand. Ich erwarte ein offenes, bürgerfreundliches Rathaus und daß die Stadtverwaltung vom Bürger als Dienstleistungszentrum akzeptiert und anerkannt wird. Auf diesem Weg ist bereits sehr viel erreicht und die Verwaltung hat hier sicher den größten Anteil daran.

Welchen Anteil haben Sie an der Personalpolitik im Rathaus?

Als Chef der Verwaltung hat man sicher die Aufgabe, den gesamten Personalbereich in der Hierarchie und in der Organisationsabstufung richtig zu ordnen, wobei auch hier durch das Tarif- und das Beamtenrecht der eigene Handlungsspielraum nicht so groß ist, wie manchmal vermutet wird. Notwendig sind mehr Gestaltungsmöglichkeiten, Leistungszulagen und Prämien und ein größerer Spielraum bei leistungsgerechten Beförderungen. 

Sind Sie ein cooler Mensch, oder kennen Sie Unsicherheit?

Im Normalfall bin ich relativ gelassen und es wäre sicher vermessen zu sagen, daß man sich bei jeder Entscheidung absolut sicher ist. Vielfach trifft man auch Entscheidungen, die man bewußt ohne weitere Berater als persönliche Entscheidung mit einem „gewissen politischen Instinkt“ vorbereitet hat und die man dann auch selbst zu verantworten hat - eine Erfolgsgarantie dafür gibt es nicht.

Es gibt Stimmen, die Sie zwar als optimalen Bürgermeister sehen, aber Ihre Zugehörigkeit zur SPD bedauern. Wie gehen Sie mit diesem Vorwurf um?

Ich habe meine Zugehörigkeit zur SPD nie verleugnet und ich glaube auch, daß es für politische Entscheidungsträger gut ist, einen klaren politischen Standpunkt einzunehmen, weil sich dann auch die Bürger in der Einschätzung leichter tun. Für mich ist es wichtig, einen sozialen Ausgleich von Leistungsstarken und Leistungsschwächeren herzustellen.

Es heißt, Sie sind bei Verhandlungen knallhart. Stimmt das?

Man sollte bei Verhandlungen immer einen sehr klar umrissenen, wohlüberlegten eigenen Standpunkt haben und einen festen Rahmen, innerhalb dem man bereit ist, sich zu bewegen. Stellt sich heraus, daß innerhalb dieser Grenzmarken ein Ergebnis nicht erzielbar ist, so sollte man das auch sehr deutlich sagen und das Gespräch dann lieber abbrechen. 

Wie sehen Sie die wirtschaftliche Lage Ihrer Stadt?

Unsere wirtschaftliche Situation ist als sehr gut zu bezeichnen. Wir sind aus der Rezession in punkto Arbeitsplatzsicherheit und wirtschaftlicher Stabilität gestärkt hervorgegangen, haben einen hervorragenden Stadthaushalt, die geringste Verschuldung und die höchsten Rücklagen vergleichbarer Kommunen in Ober- bayern, wissen allerdings auch, daß wir sehr stark von externen Faktoren abhängig sind, die wir im Bereich der Kommunalpolitik wenig beeinflussen können. Wie zum Beispiel Währungsprobleme, die starke Exportorientiertheit unserer Industrie und eine gewisse Monostruktur hier im Chemiedreieck. Unsere Bemühungen werden in den nächsten Jahren sein, hier weitere Standbeine aufzubauen. Aufgrund dieser guten wirtschaftlichen Situation konnten wir in den letzten Jahren auch für die Zukunft planen, zum Beispiel den Ausbau des Sportzentrums SV Wacker, einen neuen Gewerbepark, Bürgerhaus und Stadtpark im Stadtzentrum, neue Wohngebietserschließungen - hier sind planerisch bereits über das Jahr 2000 hinaus die Grundlagen geschaffen und die Finanzierung ist weitgehend gesichert.

Ein Patentrezept gegen Arbeitslosigkeit wäre unserer Meinung nach, Arbeit wieder bezahlbar zu machen. Wir denken nicht an Lohnkürzungen, eher an eine Verlängerung der Arbeitszeit. Sehen Sie das anders? 

Ich meine, daß die Zukunft nur durch eine größere Flexibilisierung der Arbeitszeit und durch einen Einsatz möglichst vieler Teilzeitmodelle bewältigt werden kann, weil wir sonst von dem hohen Sockel der Arbeitslosigkeit nicht herunterkommen werden. Im übrigen gibt es kein Patentrezept gegen Arbeitslosigkeit, hier ist das sowohl branchenmäßig als auch regional sehr unterschiedlich zu sehen. Auch sollten wir uns angewöhnen, nicht alles immer gleich bundeseinheitlich zu regeln. 

Haben es bei uns Frauen schwerer als Männer?

Im allgemeinen glaube ich, daß es Frauen nach wie vor, vor allem in Führungspositionen, schwerer haben, sich beruflich zu behaupten, als die Männer - ich erlebe es selbst oft in politischen Gremien, daß ich mich in reinen Männergremien widerfinde. Unser Rollenverständnis, daß Führungspositionen weitgehend für Männer reserviert sein müssen, weil sie die größere Durchsetzungskraft und mehr berufliche Kompetenz einbringen, ist hier sicher nicht mehr richtig. Viele gute Gegenbeispiele aus dem Bereich der Kultur und der Wirtschaft beweisen dies.

Macht Ihnen die Politik noch Freude, oder wandelt Sie hin und wieder der Verdacht an, es könnte ein Leben ohne Politik geben?

Die Politik macht mir sicher noch Freude, wobei ich mir einen „unpolitischen“ Hans Steindl nicht vorstellen kann. Ein Leben in der Politik ohne Amt kann ich mir sehr gut vorstellen, ein Leben ohne Einmischung in das politische Umfeld eher nicht.

Könnten Sie sich vorstellen, in Ihren Beruf als Lehrer zurückzukehren?

Ich war sehr gerne im Lehrerberuf tätig. Mir hat die Zusammenarbeit mit Eltern und vor allen Dingen mit jungen Menschen in der Schule viel Freude bereitet und ich könnte mir auch vorstellen, dies wieder zu tun.

Welchen Stellenwert hat für Sie Umweltschutz?

Der Stellenwert kann in einer Industriestadt nicht hoch genug eingeschätzt werden, hier lagen große Defizite und mit meinen ersten Initiativen zur Schaffung einer eigenen Umweltabteilung, zur Bestellung eines Umweltreferenten und eines Umweltausschusses habe ich auch versucht, neue Wege anzugehen. In vielen Dingen im Landkreis sind wir Vorreiter geworden, zum Beispiel im Trinkwasserschutz, bei einer gemeinsamen eigenen Kompostierungsanlage, beim Biomüll-Versuch, bei unserem Energieprogramm 2005, beim City-Bus und bei den vielen Förderprogrammen für Energiesparmaßnahmen.

Wie lange arbeiten Sie täglich?

Feste Arbeitszeiten gibt es nicht. Das Wochenquantum liegt täglich zwischen 10 und 12 Stunden, wobei man auch ständig durch vielfache Veranstaltungen der Vereine, Jubiläen, Festveranstaltungen engagiert ist.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihr Amt noch vorgenommen.

Ich möchte Burghausen im Wettbewerb mit den anderen Kommunen im Bereich der Kultur, des Freizeit- und Erlebniswertes, des Einkaufens fit halten und deswegen dürfen wir uns auch nicht auf den bisherigen Lorbeeren ausruhen. Deshalb auch das Programm „Erneuerung des Neustadt-Zentrums“ vom Bahnhof bis zum Ludwigsberg als Zielvariante, vergleichbar mit der großen Vorgabe der Altstadtsanierung in den 60er und 70er Jahren. Hier gibt es viel zu tun, hier stehen wir in direkter Konkurrenz und wir dürfen hier die Entwicklung nicht an uns vorüberziehen lassen.

Hand aufs Herz. Gibt es auch etwas, was Ihnen an Burghausen nicht gefällt, was Sie lieber ändern möchten?

Leider war es so, daß in den 70er Jahren die Gemeindegebietsreform an den Burghauser Bedürfnissen völlig vorbeigelaufen ist. Wir haben räumlich keine Entwicklungsmöglichkeiten, die Salzach, die nahe Industrie und das Landschafts- und Wasserschutzgebiet im Süden haben uns Entwicklungsräume genommen. Hier hätte man frühzeitig die Weichen für eine Ausdehnungsmöglichkeit der Stadt in Richtung Westen stellen müssen. Wir haben nur beschränkte Baulandreserven, nur eine beschränkte Handlungsfähigkeit wegen der Umgehungsstraße und dies ist einem so starken Wirtschaftsstandort nicht mehr angemessen.

Ihr Amt bringt ja sicherlich auch gewisse Vorteile. Müssen Sie eigentlich immer alles bezahlen?

Ob man es muß, ist eine andere Frage. Ich für meinen Teil tue es allerdings, weil ich mich davor hüte, irgendwelche Abhängigkeiten aufbauen zu wollen. Das geht oft gar nicht gut. Auf der anderen Seite sollte man Politiker nicht anders bewerten als die Bürger, die heute im Bereich der Privatwirtschaft tätig sind - jeder wird doch gerne irgendwo eingeladen, revanchiert sich seinerseits. Das gehört doch auch zu dem Prinzip „Leben und leben lassen“ mit dazu.

Ein Blick in die Zukunft: Wie lange planen Sie, Ihr Amt noch zu führen?

Darüber mache ich mir eigentlich nicht zu viele Gedanken, zumindest keine „planvollen“ - ich habe immer gesagt, daß man zumindest zehn Jahre braucht, bis man in einer Stadt eine klare Handschrift durchsetzen kann und wenn ich an die großen Aufgaben denke, die uns im Bereich der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der Neustadt noch bevorstehen, dann meine ich, daß das noch bis über das Jahr 2000 hinaus dauern wird. Hier mitzuhelfen, gute Ideen und Initiativen zu geben, ist ein lohnendes Ziel.

Gibt es noch was, das Sie reizen würde?

Ich könnte mir gut vorstellen, im Journalismus zu arbeiten oder im Bereich der freien Wirtschaft, zum Beispiel Werbung/Marketing. Ein bißchen Lebenserfahrung, die man in verschiedenen Feldern gesammelt hat, hilft hier ganz gut. Man hat viele unterschiedliche Menschen kennengelernt und das prägt.

Hatten Sie früher einen Traumberuf? 

Ich habe einmal geträumt, Pilot einer großen Fluggesellschaft zu sein oder Fußballtrainer einer bekannten und erfolgreichen Mannschaft.

Wie war Hans Steindl als Kind und welche Ansprüche stellte man damals an Sie?

Mein Vater hat immer gesagt: „Entweder Du schaffst das Gymnasium, und das mußt Du dann ganz alleine für dich bewerkstelligen, oder du gehst zu mir in den Garten und machst eine Gärtnerlehre.“ Damit war alles klar, wir waren viel auf uns alleine gestellt und mußten uns einfach durchbeißen.

Was haben Sie von Ihrem Vater gelernt?

Von meinem Vater habe ich gelernt zu kämpfen, nicht zu schnell aufzugeben und in obigem Sinne auch den Erfolg selbst zu erarbeiten.

Können Sie sich noch an Ihre erste Liebe erinnern?

Ja.

Verraten Sie uns, wär das war?

Nein, solche Privatheiten sind immer noch die schönsten, wenn es keiner weiß.

Sie werden in diesem Jahr 46. Wird da eigentlich anderes außer Karriere wichtig, wenn man älter wird?

Gesundheit, bei der Medienflut einen klaren Kopf zu behalten und eine intakte Familie.

Läßt die Kondition schon etwas nach?

Im Arbeitsbereich merke ich nichts, hier fühle ich mich voll belastbar. Bei sportlichen Aktivitäten ist es nicht zu verbergen.

Wie steht es mit der Midlifecrisis?

Welche meinen Sie, die erste, zweite oder dritte?

Die letzte hätte uns interessiert. Hatten Sie in Ihrem Leben jemals Existenzängste?

Wer das verneint, ist von seinen Eltern so gut gebettet worden, daß ihm selbst bei größtem Unvermögen nichts passieren kann - da das bei mir nicht der Fall war, ist diese Frage wohl beantwortet.

Wie groß ist der berufliche Anteil an Ihrem Leben, was machen Sie mit der übrigen Zeit?

Der berufliche Anteil macht 80 bis 90 Prozent aus. Die übrige Zeit versuche ich, der Familie zu widmen mit gemeinsamen Aktivitäten im Bereich der Kultur und des Sports.

Wie muß man sich Hans Steindl vorstellen, wenn er nicht arbeitet?

Wenn ich beispielsweise in irgend einer anderen Stadt bin, überlege ich, was kannst du als Anregung mitnehmen oder bei Kulturveranstaltungen, ob das auch zu Burghausen passen würde, die jeweiligen Interpreten einzuladen usw.

Haben Sie viele Freunde?

Es ist in diesem Amt ein großer Nachteil, daß man den Bereich der privaten Aktivitäten so einschränken muß, daß damit auch die Pflege eines größeren Freundeskreises nicht mehr möglich ist. So wird der Freundeskreis auto- matisch kleiner, er hält allerdings auch besser zusammen.

Wie sehen Sie die heutige Jugend? 

Die heutige Jugend hat es schwer zwischen den Leistungsanforderung- en Schule und Beruf, den Medienvergewaltigungen, denen sie ausgesetzt ist, und den Schwierigkeiten in der Familie, wo die Notwendigkeit dazu führt, daß beide berufstätig sein müssen. Viele Jugendliche sind aber durchaus politisch engagiert, wenn auch vielfach außerhalb der Parteien. Man kann dies feststellen an Kirchen- tagen, bei Dritte-Welt-Aktionen, oder als jüngeres Beispiel beim Shell-Boykott. Probleme sehe ich in einer Beschränkung der Ausbildungssituationen, vor allem im Osten, was zu einer zunehmenden Radikalisierung und Gewaltneigung führt, und auch zu einem brachliegenden Potential an später im Arbeitsprozess nicht mehr vermittelbaren Menschen. 

Was halten Sie von Helmut Kohl?

Außenpolitisch ist er sicher zum Staatsmann gereift, hat viel für die deutsche und europäische Einheit getan. Hier ist er oft unterschätzt worden - innenpolitisch ist er nicht der Steuermann, den sich vor allem auch die Wirtschaft er- wünscht. Hier werden viele Probleme nur aufgeschoben, hier mangelt es vielfach an Führungskompetenz, vor allen in Fragen der Wirtschafts- und der Innenpolitik. 

Dürfen Männer weinen?

Männer dürfen nicht nur im Kino weinen, sondern sie sollten es auch dort tun, wo ihre Gefühle durchbrechen. Es ist Ausdruck von Ehrlichkeit, Sorgen und Freuden zu zeigen und andere daran teilhaben zu lassen.

Und Schwächen? Hat Hans Steindl Schwächen?

Hat wohl jeder. Ich bin manchmal sicher zu ungeduldig, etwas emotional, vielleicht auch zu sehr erfolgsorientiert.

Was amüsiert Sie?

Dieses Interview...

Ein paar Worte zum Rassismus?

Er macht mir große Sorgen. Vor allem unter den Jugendlichen ist der Neidkomplex vorhanden, auf Andersartige wird oft mit Unsicherheit und Aggres- sion reagiert. Vielfach hat man das Gefühl, die Leute glauben, daß das, was sie mühevoll aufgebaut haben, ihr Wohlstand, ungerechtfertigterweise geschmälert oder gar weggenommen oder bedroht wird. Hier wäre mehr Gelassenheit und auch Gerechtigkeit nötig, denn dieser Wohlstand ist durch die internationalen Wirtschaftsverflechtungen und durch die vielen ausländischen Arbeitnehmer im Lande mit aufgebaut worden. Das wird allzu leicht vergessen.

Was assoziieren Sie mit Burghausen?

Mit Burghausen assoziiere ich Heimatgefühl, hohen Erlebnis- und Freizeitwert, ein südländisches Flair, das mir sehr sympatisch ist, und eine gelungene Symbiose von Alt und Neu, von Historischem und Modernem.

Zum Schluß nennen wir Ihnen noch zehn Begriffe. Sie sagen uns bitte, was Ihnen dazu einfällt.

Altstadt?

Herzstück von Burghausen.

Neustadt?

Eine städtebauliche Herausforderung für die Zukunft.

Intelligenz?

Ist relativ. Entscheidend ist, den Verstand zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle einzusetzen.

Geld?

Ist nicht das Wichtigste im Leben.

Familie?

Bietet mir Ruhe, Geborgenheit, Intimität.

Frauen?

Hier halte ich es mit einem Filmtitel: „Frauen sind was Wunderbares“.

Vereintes Europa?

Es muß von den Beinen, siehe den Tourismus, in die Köpfe und ins Bewußtsein der Menschen kommen.

Tod?

Das passe ich.

Freizeit?

Ich hätte gern etwas mehr davon.

Bürgermeisteramt?

Gibt’s was Schöneres?

Herr Steindl, vielen Dank für das Gespräch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG