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WILHELM RICHTER

Inhaber einer Kartonagenfabrik
Edition: Waldkrauburg 2000

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Seit mehr als 50 Jahren steht der Name RICHTER als Synonym für innovative Verpackungsmaterialien aus Pappe und Karton. Namhafte Firmen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Industrie gehören zu den Kunden des Unternehmens. Die STADTBROSCHÜRE sprach mit dem Inhaber Wilhelm Richter über die Aufgaben und die Zukunft seines Unternehmens.

 

Herr Richter, wie gefällt Ihnen denn unser Arbeitstitel »Das Familienunternehmen«?

Wenn man die Tatsache zu Grunde legt, dass in unserer Kartonagenfabrik jedes Familienmitglied seinen eigenen beruflichen Aufgabenbereich gefunden hat, trifft diese Bezeichnung sicherlich den Nagel auf den Kopf. 

Zu Beginn der Akquisition zu unserer STADTBROSCHÜRE erfragen wir bei unseren Kunden und Lesern immer einen Wunschkandidaten für unser Interview. Dabei fiel immer wieder entweder Ihr Namen oder der Ihres Unternehmens. Macht Sie das ein wenig stolz?

Na klar. Unsere Kartonagenfabrik befindet sich ja auch schon seit drei Generationen im Besitz der Familie und die vierte Generation, in Form meines Sohnes, ist bereits, nach einer fundierten Ausbildung mit im Unternehmen tätig.

Welchem Aufgabenbereich stellt sich Ihr Unternehmen?

Unser Aufgabenbereich lässt sich ganz gut mit der Bezeichnung »Herstellung von Verpackungsmaterial umschreiben. Unsere Werkstoffe sind voll recyclingfähig. Aus Pappe und Karton fertigen wir Stülpkarton, Faltschachteln, Displays, Versandtaschen und -schachteln. Die kleinste Schachtel übrigens, die wir in unserem Programm führen, ist eine nur 20 mal 15 Millimeter große Verpackung, die als Waschpulverkarton für einen Kinderspielzeugladen gedacht ist. Im Laufe der vielen Jahre haben wir sicherlich ein paar tausend Objekte verschiedenster Art produziert. In unseren Fertigungshallen arbeiten wir auf modernsten Maschinen und haben uns dabei auch auf Sondergrößen spezialisiert. 

Wer zählt zu Ihren Kunden und bis wohin liefern Sie?

Zu unserem Kundenstamm gehören beispielsweise Firmen der Werbeindustrie, der Befestigungsindustrie und natürlich einige Verpackungsgroßhändler. Druckereien und Verlage werden von uns mit Aufrichtschachteln und Versandta- schen beliefert. Unser Hauptliefergebiet ist Bayern, wir liefern auch nach Öster- reich, Norwegen und in die Schweiz.

Wie steht es mit Aufträgen aus der Lebensmittelindustrie?

Hier sind wir so gut wie gar nicht vertreten. Die Produkte der Lebens- mittelindustrie erfordern wieder ganz andere, individuelle Einrichtungen und Ma- schinen.

Wer entwirft das Design der einzelnen Verpackungen?

Weit vor dem Marktauftritt eines neuen Produktes bedienen sich die einzelnen Firmen in der Regel der Dienste eines Designstudios. Steht das neue Design, so werden wir zu Rate gezogen, um die Idee umzusetzen. Je auffälliger sich die Verpackung darstellen soll, desto schwieriger gestaltet sich natürlich auch die Umsetzung der Idee. Aufgrund unserer Erfahrung haben wir aber immer eine gute Lösung dieses Aufgabenbereiches gefunden. Dabei spielen natürlich viele Faktoren eine bedeutende Rolle, nicht zuletzt natürlich auch der finanzielle Aufwand. 

Können Sie uns ein paar Kundenamen nennen?

Der Kosmetikhersteller Etienne Aigner, die Brauerei Weihenstephan, Bosch, Herlitz und natürlich die Firmen Beck und Elaston aus Waldkraiburg. Auch der Hersteller des Computer-Programms »Quicken« überließ uns die Verpack- kungsfrage seines Produktes. 

Erzählen Sie uns etwas über die Firmengeschichte? 

Der Urstamm des Unternehmens war in Morchenstern in der ehemaligen CSSR. Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde das Unternehmen in Waldkraiburg von meinem Großvater wieder neu aufgebaut. Mein Vater über- nahm die Leitung des Unternehmens dann im Laufe der frühen fünfziger Jahre, ich selbst leite es seit 1976, nach dem Tode meines Vaters, im Jahre 1990, alleinvertretend. 

Verraten Sie uns ein paar Firmendaten?

Wir beschäftigen hier derzeit 30 Mitarbeiter und fünf Aushilfen, teil- weise Heimarbeiter. Der Jahresumsatz betrug im vergangenen Jahr rund fünf Mil- lionen.

Ein beachtlicher Umsatz, der aber aufgrund der hohen Mitarbeiterzahl auch sehr lohnintensiv erreicht wird. Wie sieht es denn mit der Zahlungsmoral der Kunden im allgemeinen aus?

Das ist oftmals schon ein sehr großes Problem. Viele Kunden benutzen ihren Lieferanten als Bank und bedenken dabei gar nicht die Folgen, die damit verbunden sind.

Was ist derzeit en vogue und auf welche Kriterien bei den Ver- packungsformen achtet der Endverbraucher eigentlich?

Der Endverbraucher achtet immer mehr auf Umweltverträglichkeit. Er kauft aber auch mit dem Auge und eine aufwendig gestaltete Verpackung verführt natürlich eher zum Kauf, als eine graue Pappschachtel. Vor einigen Jahren gab es ja die neue Verpackungsverordnung, nach der es nur noch graue Kartons ohne Aufdruck geben sollte. Das ist allerdings gründlich in die Hose gegangen und Gott sei Dank wurde diese Entscheidung in für uns firmenpolitisch wichtigen Grundvoraussetzungen wieder revidiert.

Achtet der Kunde heute mehr auf die Schönheit einer Verpackung, auf die Qualität des Inhalts oder auf den klangvollen Namen des Herstellers?

Ich würde sagen, er achtet auf alle drei Kriterien zugleich - und natürlich auch auf den Preis. 

Welcher Unternehmensauftrag würde denn Ihr Herz etwas höher schlagen lassen?

Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Auf der einen Seite wünscht man sich natürlich Großkunden mit einem umfangreichen Auftragsbestand, andererseits sind unsere Maschinen ja mit den derzeitigen Arbeiten sehr gut aus- gelastet. Neue Großkunden würden natürlich neue Investitionen nach sich ziehen. Dazu kommt dann auch die Gefahr, daß man sich zu sehr von einem Unternehmen abhängig macht. Wir sind eigentlich mit dem derzeitigen Stand sehr zufrieden und manchmal ist es eben vernünftiger, auf einen Kunden zu verzichten. Wer seine Auf- träge aus einem breitgefächertem Kundenpotential bezieht, lebt sicherlich etwas ruhiger, das wird in Ihrem Unternehmen nicht anders sein. Bevor wir allerdings »Nein« zu einem, Auftrag sagen würden, denken wir natürlich sehr genau über eine Lösung nach, schließlich sind wir Unternehmer und keine »Unterlasser«.

Kommen wir zu Ihrer Person: schildern Sie uns mal Ihren ganz persönlichen Lebenslauf.

Ich bin 1951 geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen in Waldkraiburg, später dann in Brannenburg, wo ich die Realschule besuchte. Ich habe in München Buchdrucker gelernt, danach folgte die Meisterprüfung und seit 1972 bin ich hier in dieser Firma. Ich bin seit 26 Jahren verheiratet und Vater drei- er Kinder.

Im Laufe dieses Jahres werden Sie Ihre Kartonagenfabrik nach Heldenstein verlegen. Gab es denn hier in Waldkraiburg keine echte Alternative?

Für uns nicht. Wir haben uns zwar ein Grundstück in der Nähe des Schlachthofes reservieren lassen, aber die Kosten dafür lagen bei 165 DM pro Quadratmeter, in Heldenstein zahlten wir jetzt 60 DM. Da wir uns standortmässig nicht festlegen müssen, haben wir uns natürlich für Heldenstein entschieden. Ehrlich gesagt, wären wir lieber in Waldkraiburg geblieben, aber bei diesen Zahlen spielt der unternehmerische Blick auf die Kaufsumme eine ganz entscheidende Rolle. Immerhin geht es um eine Million Mark.

Im Organigramm Ihres Firmenprofils taucht auch der Name Ihrer Frau auf. Wie haben Sie sich Ihre Aufgabenbereiche geteilt?

Meine Frau zeichnet bereits seit 25 Jahren verantwortlich für den kauf- männischen Bereich und für alle Dinge im Bereich der Personalangelegenheiten. Meine Tochter, eine gelernte Industriekauffrau, unterstützt sie seit 1992 in diesem Bereich, ebenso meine Schwägerin. Mein Sohn hat seine Ausbildung inzwischen beendet und kümmert sich derzeit noch um den Neubau, insbesondere um die EDV. Nach Fertigstellung des neuen Unternehmens wird er zusammen mit mir das Unternehmen leiten und sich verstärkt auf die Aquise konzentrieren. Eigentlich sind wir wirklich ein richtiger Familienbetrieb, weil wir uns auch außerhalb der Arbeits- zeit zu gemeinsamen Aktivitäten treffen. 

Wie beurteilen Sie generell den Standort Deutschland?

Während der Bauplanung führten wir mehrere Gespräche mit Unter- nehmensberatern. Der Tenor ging aber immer dazu über, dass Deutschland zwar geographisch gesehen ein ganz hervorragender Standort ist, die unternehmerischen Bedürfnisse aber, und das ist hinlänglich bekannt, sind einfach miserabel. Die Palette der Verordnungen und Auflagen, der einzelnen Steuerbelastungen und nicht zuletzt der Entscheidungen im Bereich Personalpolitik gestaltet sich dermaßen um- fangreich, dass man hinsichtlich einer Investition vorsichtiger geworden ist. Ich persönlich betrachte das Ganze sogar als investitionshemmend und die Politik sollte sich hier schleunigst etwas einfallen lassen. Das Bild des Unternehmers in Deutsch- land ist meiner Meinung nach sowieso etwas in Misskredit geraten, wobei auch der Neid eine große Rolle spielt. 

Erfolg und Misserfolg liegen oft ganz nah beieinander. Gab es schon mal eine richtig große Panne?

In welche Richtung geht Ihre Frage?

Zum Beispiel dahingehend, dass Sie ein Produkt produziert haben, das nach Fertigstellung nicht zu verwenden war.

Gott sei dank gab es so etwas bisher nicht, und ich hoffe, dass wir auch in Zukunft davon verschont bleiben mögen.

Erfordert Ihr Unternehmen eine rege Reisetätigkeit?

Nein. Das meiste wird telefonisch erledigt und wir bedienen uns jetzt natürlich auch der Möglichkeiten der neuen Medien.

Wem würden Sie nichts verkaufen, auch wenn der Profit noch so groß wäre?

Dem, der nicht bezahlt.

Wie kommen Sie denn mit Konkurrenz-Unternehmen klar? Haben Sie überhaupt Mitbewerber?

Selbstverständlich haben wir Mitbewerber, aber großartige Kontakte dazu führen wir nicht. Was uns etwas Sorgen bereitet, ist die zunehmende Konkurrenz aus Billiglohnländern.

Was unterscheidet Sie von anderen Unternehmen Ihrer Branche? 

Wir versuchen immer, etwas besser oder schneller zu sein, als die an- deren. Ich glaube aber auch, daß unsere individuelle Produktpalette und unser gutes Preis-Leistungsverhältnis dazu beiträgt, daß wir so gut im Rennen liegen. Wir unterscheiden uns natürlich auch dadurch, dass wir das gesamte Handling übernehmen. Der Kunde kann uns beispielsweise seine Ware anliefern und wir verpacken diese dann in die von uns gefertigten Kartonagen. Ein ganz wesentlicher Faktor ist auch unsere Kreativität bei der Erarbeitung eines guten Designs. Nicht jedes Unternehmen bedient sich hier einer Werbeagentur. Viele besprechen ihren Auftrag direkt mit uns und zählen auf unsere Ideen.

Welchen Stellenwert hat für Sie Waldkraiburg einerseits als Einkaufsstadt, andererseits als Industriestandort?

Wir versuchen natürlich, unseren täglichen Bedarf hier zu decken. Das Angebot der Einkaufsstadt Waldkraiburg ist sicherlich in Ordnung, dennoch ist es so, daß man auch mal woanders hinfahren möchte, schon deshalb, weil man mal etwas Neues sehen will. Als Industriestandort ist Waldkraiburg für viele Unter-  nehmen auch bestens geeignet. Ich sage das ganz deutlich, obwohl wir uns jetzt für einen anderen Standort entscheiden mussten. 

Kommen wir noch einmal zum Thema »Heldenstein«. Werden Ihnen alle Mitarbeiter dorthin folgen?

Bis auf fünf Mitarbeiter, die uns leider aus verschiedenen Gründen verlassen werden, nehmen alle den Weg nach Heldenstein in Kauf.

Wen wünschen Sie sich als Firmennachfolger?

Der Wunsch ist ja schon wahr geworden, weil mein Sohn sich für diese Aufgabe hat ausbilden lassen. Jetzt hat er bereits seinen Meistertitel in der Fachrichtung Papierweiterverarbeitung abgelegt und er ist auch bereits seit 1997 als Ge- sellschafter in der Firma tätig und verantwortlich.

Ist die Börse ein Thema für Sie?

Geschäftlich gesehen, nein. Was die private Kapitalanlage betrifft ist die Börse sicherlich ein interessantes Thema geworden. Ich selbst bin aber eher ein vorsichtiger Anleger und setze mehr auf breite Streuung.

Bringt Ihnen der neu gestaltete europäische Markt Vorteile?

Was die Zollbestimmungen betrifft, haben wir jetzt natürlich weitaus weniger Arbeitsaufwand. Allerdings hat sich eben auch hier wieder gezeigt, daß eine Neuordnung auch Nachteile mit sich bringen kann, denn die Mitbewerber aus ganz Europa drängen permanent auf den deutschen Markt. Wären alle Bedingung- en hinsichtlich der Preis- und Lohnpolitik aber auch der Steuerpolitik überall gleich, hätten wir damit keine Probleme. So lange es da aber keine gleichen Voraussetzungen gibt, müssen wir zaubern. Tschechien und Italien als Billiglohnländer sind da sehr gute Beispiele.

Womit halten Sie sich körperlich fit, treiben Sie Sport?

Ich halte mich mit Radfahren fit und tauche auch sehr gerne. 

Betrachten wir Sie einmal als »Verpackungskünstler«. Wen oder was würden Sie persönlich gerne einmal einpacken. 

Der Reichstag in Berlin war in dieser Richtung ja bereits ein gutes Beispiel. Vielleicht sollte ich mich mal selbst verpacken, meine Frau hätte bestimmt eine ganz besondere Freude daran.

Ein wenig Politik: Wen mögen Sie lieber, Schröder, Kohl oder Fischer. Oder gar keinen?

Ich stehe auf Schröder, weil Kohl nicht sagt, daß wir auch gespendet haben. Deshalb werden wir aus der Steuerpartei austreten. Jetzt aber mal im Ernst: Jede Partei in Deutschland hat ihre Vor- und Nachteile. Ich möchte mich jetzt hier an dieser Stelle nicht auf einen einzelnen Politiker festlegen, aber ich wünsche mir sehr, dass man endlich damit beginnt, eine ehrliche Politik zu machen. Mir kommt es immer so vor, als wenn alle politischen Entscheidungen nur in Hinsicht auf den Erfolg der nächsten Wahl getroffen werden. Es gibt einfach Dinge, die können so auf Dauer nicht gelöst werden. Andererseits verstehe ich natürlich, daß jeder ver- sucht, an der Macht zu bleiben. Volkswirtschaftlich gesehen ist das sehr gefährlich, weil wir einfach riskieren, ins Hintertreffen zu geraten.

Die Verantwortung des Unternehmers für das eigene Geschäft läßt eine politische Mitarbeit aus Zeitgründen so gut wie nie zu. Nur die wenigsten sitzen deshalb am Schalthebel der Macht, nämlich im Bundes- tag. Vielleicht auch deshalb, weil führende Politiker einfach unterbezahlt sind im Vergleich zu den großen Wirtschaftskapitänen?

Fragen Sie das mal den Mann auf der Straße. Da werden Sie sicherlich etwas anderes zu hören bekommen, als von mir. Ein Monatsgehalt von circa 25.000 Mark für den Bundeskanzler ist aufgrund der Verantwortung seiner Tätigkeit einfach zu wenig, das muß man einfach mal sagen. In der freien Wirtschaft würde der Betrag pro Tag ausbezahlt werden, wenn man die Verantwortung gleichsetzt. Allerdings ist es aber auch so, dass man hier ganz schnell seinen hoch- dotierten Job los wird, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt. In der Politik sieht das anders aus. Wenn hier mal jemand politische Verantwortung übernimmt und aus seinem Job entlassen wird, fließen die Bezüge weiter. 

Gibt es ein geschäftliches Traumziel, daß Sie noch verwirklich- en wollen?

Wir werden jetzt versuchen, unseren Betrieb in Heldenstein zum Laufen zu bringen und und das bisher Erreichte zu konsolidieren. Das ist unser Ziel.

Zum Schluß noch zehn Fragen, Sie antworten bitte mit Ja oder Nein: Geld regiert die Welt?

Nein.

Qualität hat seinen Preis?

Ja.

Kritik trifft mich hart?

Ja.

Alter schützt vor Torheit nicht?

Ja.

Der Geschmack meiner Kunden ist nicht immer identisch mit meinem?

Ja.

Ich selbst bin eher ein bescheidener Mensch?

Ja.

Manchmal hätte ich große Lust, alles zu verkaufen.

Ja.

Unsere Kunden überzeugen wir durch Sachverstand.

Ja.

In zwanzig Jahren macht der Ökotrend Verpackungen unnütz.

Nein.

Ohne meine Mitarbeiter könnten wir uns selbst »einpacken«?

Ja. Eine schöne Frage übrigens.

Herr Richter, besten Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG