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MICHAEL KÖLBL

Bürgermeister
Edition: Wasserburg am Inn 2007

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

STADTANSICHTEN - Seit rund fünf Jahren lenkt Michael Kölbl als Bürgermeister die Geschicke der Stadt Wasserburg a. Inn. Hier beantwortet er Fragen zur bisherigen Amtszeit und gibt eine Prognose für die Zukunft

 

Herr Kölbl, fünf Jahre sind mittlerweile vergangen, in denen Sie als Bürger- meister die Geschicke der Stadt Wasserburg a. Inn lenken. Zufrieden mit dem Erreichten?

Ja, grundsätzlich zufrieden, denn es wurde viel bewegt in den vergangenen fünf Jahren. Insbesondere in den Bereichen Kultur, Schulen und Attraktivitätsstei- gerung im Ortsteil Reitmehring sowie in unserer Altstadt.

Kommunalpolitische Projekte während Ihrer Amtszeit?

Natürlich kann man nicht alle Einzelprojekte hier auflisten, weil das den Rahmen sprengen würde. Deshalb möchte ich einige wichtige herausgreifen: Im Zuge der Altstadtsanierung zum Beispiel die Umgestaltung der Ledererzeile im vierten Bauabschnitt sowie die völlig neue Gestaltung der Schustergasse. Beide Projekte erlauben den Kunden dort nun ein besseres Erreichen der Geschäfte. Für unsere Pendler wurde der Park-&-Ride-Platz am Bahnhof in Reitmehring nicht nur völlig neu gestaltet, sondern auch erweitert, was vor allem auch bessere Umstiegs- möglichkeit vom Bus zur Bahn und die Erreichbarkeit für behinderte Menschen zur Folge hat. Nach jahrelangen schwierigen Verhandlungen konnte auch das Bahn- hofsgelände in der Altstadt erworben werden. Dadurch hat sich eine Jahrhundert- chance zur Entwicklung der Wasserburger Altstadt ergeben, die in den nächsten Jahren natürlich auch genutzt werden muss. Vor wenigen Wochen konnte die Stadt Wasserburg Wohnbauland an der Köbingerbergstraße erwerben. Ein sehr attraktives Gebiet, in dem sich hervorragende Baumöglichkeiten abzeichnen. Den sozialen Bereich betreffend, möchte ich zwei Dinge herausgreifen: Im sozialen Brennpunktgebiet Burgau konnte ein Familienzentrum errichtet werden, das mittlerweile zu den Pionierprojekten des Mehrgenerationenhauses im Landkreis Rosenheim zählt und von der Bundesregierung gefördert wird. Pionierarbeit leistete die Stadt auch bei ihrer Kinderkrippe - übrigens die einzige im nördlichen Landkreis - die im neu sanierten Kindergarten Reitmehring integriert ist. Sie ist insbesondere für Alleinerziehende mit kleinen Kindern interessant, da hier Kinder im Alter zwischen einem und drei Jahren betreut werden.

Was war während Ihrer Amtszeit nicht durchsetzbar?

Ich hatte gehofft, dass eine Entscheidung zur Altstadtbahnstrecke in dieser Legislaturperiode gefällt werden könnte. Leider konnte bisher vom Wirtschafts- ministerium noch keine entgültige Konzeption der Bahnanbindung von Reitmehring nach München vorgelegt werden, so dass in Folge auch keine entgültige Entscheidung unsererseits getroffen werden kann.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit im Stadtrat?

Ich beurteile sie im Grundsatz als gut und an der Sache orientiert, obwohl in Zeiten des leichten Vorwahlkampfes wie jetzt, natürlich schon mal die eine oder andere Spitze hörbar wird.

Welche Vorzüge bietet die Stadt Wasserburg a. Inn, und mit welchen Nachteilen muss sie heute noch fertig werden?

Wasserburg hat die Vorzüge einer intakten historischen Altstadt mit vielen kleinen Geschäften, die ein sehr gut sortiertes Angebot auf engem Raum bieten, was natürlich ein erhöhtes Einkaufsvergnügen zur Folge hat. Unsere kleine Stadt ist darüber hinaus als Schulstadt weithin bekannt, wir können uns über zwei aktive Theater und ein Kino freuen, und auch sonst möchte ich unser Kulturangebot schon als sehr abwechslungsreich bezeichnen. Nicht zu vergessen ist unsere gesunde Arbeitsmarktstruktur. Wir haben eine sehr niedrige Arbeitslosenquote aufgrund mehrerer großer Arbeitgeber, von denen ich stellvertretend für alle anderen insbesondere die Milchindustriebetriebe Meggle und Bauer nennen darf, aber auch das Bezirksklinikum Inn/Salzach. Nachteilig gestaltet sich für uns die Sparpolitik der Bayerischen Staatsregierung, der mehrere Verwaltungsbehörden zum Opfer fielen, wobei ich hier stellvertretend vor allem das Landwirtschaftsamt und die Landwirtschaftsschule nennen muss, ein Teil des Vermessungsamts wurde auch schon abgezogen, das Amtsgericht wird noch folgen. Für unsere Zukunfts- entwicklung ist es natürlich hinderlich, dass wir als Mittelzentrum einerseits viele Aufgaben für eine Region von circa 30.000 Einwohnern zu bewältigen haben, andererseits selbst aber nur 12.000 Einwohner zählen. Aufgrund der geringen Fläche, über die wir verfügen, sind auch die Expansionsmöglichkeiten begrenzt.

Der Deutsche Städtetag schlägt seit Jahren Alarm und es ist offensichtlich: Derzeit brennt den Städten kein anderes Thema so sehr unter den Nägeln wie die drohende Pleite. Inwieweit betrifft dies auch Wasserburg a. Inn?

Wir hatten in den Jahren 2002 und 2003 extrem angespannte Haushaltslagen, worauf der Stadtrat mit nachhaltigen Sanierungsbeschlüssen reagierte. Mittlerweile hat sich die Haushaltslage insgesamt stabilisiert und darf durchaus als absolut solide bezeichnet werden. Vor allem auch, weil der Schuldenstand in den letzten fünf Jahren von dreizehn auf rund sechs Millionen Euro reduziert werden konnte. Die hier ansässigen Firmen liegen gut im Geschäft, sie haben ihre Hausaufgaben der Umstrukturierungsprozesse in den letzten Jahren erfolgreich erledigt, die Produktpaletten wurden erweitert, die Unternehmen machen Gewinne. Das bedeutet für die Stadt gute Steuereinnahmen 2006 und auch 2007, wovon auch der Landkreis ganz gehörig profitieren wird.

Ihre Prognose für die Zukunft Wasserburgs als Einkaufsstadt, Gesundheitsstandort und Schulstadt?

Wasserburg a. Inn ist und bleibt nach wie vor wichtige Verwaltungszentrale, Dienstleistungszentrum, Einkaufsstadt und Schulstadt. Alle genannten Bereiche sind in Wasserburg gut aufgestellt. Als Zentrum des Altlandkreises ist Wasserburg natürlich auch ein Zentrum des Gesundheitswesens. Neben den Kliniken gibt es Arztpraxen für jeden Gesundheitsbereich, Reha-Zentren und viele weitere, der Gesundheit dienliche Einrichtungen.

Welche Rolle spielt der Tourismus für Ihre Stadt?

Zusammen mit der Gastronomie und den Beherbergungsbetrieben sind wir bemüht, die Stadt liebenswürdig zu präsentieren und dafür zu werben. Gästen, die sich für unsere Stadt interessieren, werden Führungen, Ausstellungen und Informationen angeboten. Radwanderungen in und um Wasserburg haben sich in den letzen Jahren mehr und mehr zu einer Touristenattraktion entwickelt. Wichtig für die Entwicklung der Stadt ist auch das Aufrechterhalten und Fortführen der kulturellen Einrichtungen. Vereinsinitiativen sind zu unterstützen, bedeutende Veranstaltungen zu fördern und mitzutragen. Sie bereichern das Leben der Stadt. Vieles wäre noch zu erwähnen und zu nennen, auch das Bemühen, die Verkehrssituation zu verbessern.

Welche Auswirkungen erwarten Sie von den Investoren auf die Innstadt?

Wir sehen mit Optimismus in die Zukunft. Es liegen uns immer wieder Planungen für Industrieerweiterungen vor, das Gewerbegebiet Tegernau wird sich weiter entwickeln und auch über einen Neuanfang von Wacker wird bereits diskutiert.

Meine persönliche These lautet: Die Stadt der Zukunft ist arm, privat, gespalten und wild. Ihr Kommentar dazu?

Die Städte müssen weiterhin das Zentrum des Kultur- und Gemeinschaftslebens sein und bleiben. Hier sucht und findet der Bürger Öffentlichkeit, Freunde, Partner, interessante Angebote in Freizeit, Kultur, Sport. Hier erlebt er Geborgenheit und Orientierung. Wir haben gerade in Wasserburg a. Inn eine sehr hohe Lebens- qualität und eine hohe Identifikation mit der Stadt, man kann durchaus von einem „Wir“-Gefühl sprechen. Allerdings sind die Finanzmittel der Gemeinden und Städte, Wasserburg nicht ausgeschlossen, nicht zu üppig. Von daher ist es besonders wichtig, Zukunftsaufgaben nicht zu vernachlässigen, sondern Wert auf die Fortentwicklung in allen Funktionen - Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Kultur und Bildung - zu legen. Wir wollen uns nicht spalten lassen, werden weiter Gemein- schaftserlebnisse und nicht Privatheit fördern. „Wild“ im Sinne von neuen Ideen, Experimentierfreude, Risiken übernehmen, lasse ich am ehesten gelten. Mir geht es auch nicht nur um belebte Straßen und Plätze, sondern um das „Innere Leben“ einer Stadt, das Geflecht, das die Menschen brauchen, um sich wohl zu fühlen. Die Zukunftsaufgabe für Wasserburg kann deshalb mit der Überschrift versehen werden: „Es gilt, die Stadt als lebens- und liebenswertes Zentrum zu erhalten und fortzuentwickeln“. Die natürliche Umgebung, die landschaftlich reizvolle Lage sowie die Zentralität zeichnen Wasserburg als eine Stadt mit guter Lebensqualität aus. Der Stadtrat, der diese Vorteile bei all seinen städtischen Entwicklungsplanungen beachtet, legt auch immer Wert darauf, dass es zum einen Entwicklungschancen für eine der arbeitsplatzstärksten Städte im Landkreis gibt, zum anderen aber auch, dass die natürliche Umgebung dabei bewahrt wird.

Gibt es für Unternehmer noch Möglichkeiten, sich anzusiedeln?

Wasserburg bietet nach wie vor zahlreiche Chancen zur Um- und Ansiedlung von Betrieben, in neuen sowie in bereits vorhandenen Gewerbegebieten. Ich denke hier insbesondere an die Änderungen der Bebauungspläne Tegernau oder Salzburger Straße, aber auch an zukünftige Erschließungsmöglichkeiten in Rottmoos.

Wer vermarktet eigentlich die Vorzüge der Stadt?

Das Marketing der Stadt Wasserburg wird zusammen mit dem Wirtschaftsförde- rungsverband ehrenamtlich organisiert. Wir konnten mit unserem Marketing- konzept sogar einen zweiten Preis beim Ersten Bayerischen Marketing Wettbewerb gewinnen.

Thema der Zukunft wird auch der Hochwasserschutz sein. Da gibt es sicher noch einiges zu tun.

Die Stadt Wasserburg war bis zum Jahrhunderthochwasser 2005 im guten Glauben, der vorhandene große Hochwasserschutz sei ausreichend. Mittlerweile konnten, gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes erarbeitet werden, und ich hoffe, daß diese Maßnahmen in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Ein Anfang soll bereits 2007 erfolgen.

Welche städtebaulichen Veränderungen hat Wasserburg noch zu erwarten?

Wir werden uns neben der Gewerbeerweiterung insbesondere um die Innenstadt bemühen müssen. Die bisherigen Investitionen gehen alle in die richtige Richtung, sprich der Stärkung des Stadtzentrums. In Zukunft stehen weitere Projekte an, zum Beispiel die Modernisierung des Brucktor-Ensembles, in dem zeitgemäße Wohnungen geschaffen werden sollen, aber auch ein geeignetes Ambiente für das Kunsthandwerk. Ferner stellt die Gestaltung des Altstadtbahn- hofsgeländes eine Herausforderung dar. 

Thema Sport in Wasserburg?

Sport ist in Wasserburg traditionell ein großes Thema. Der TSV Wasserburg mit circa 2.000 Mitgliedern ist auch der größte Sportverein der Stadt. Bekannt ist Wasserburg natürlich durch die Damen-Basketball-Mannschaft, die dreimal hintereinander Deutscher Meister wurde und auch in diesem Jahr wieder gut im Rennen liegt.

Deutschland ist ein reiches Land, doch der Reichtum konzentriert sich in der Hand weniger Großkonzerne und Großbanken und ihrer Besitzer, während die Masse der Bevölkerung immer mehr belastet wird. Ihr Kommentar dazu?

Ich sehe die weltweite Globalisierung kritisch, bin ein Befürworter kleinerer Einheiten und spreche mich klar gegen die oftmals gepredigte Fusionitis aus. Mir persönlich sind kleinere Unternehmen, die noch einen Be-zug zu ihren Kunden haben, wesentlich lieber. Dies fördert auch die Identifikation mit der Region, in der man wohnt.

Mal ganz vorsichtig angefragt: Stehen Sie für eine Bürgermeisterkandidatur 2008 wieder zur Verfügung?

Nach fünf Jahren Bürgermeistertätigkeit kann ich sagen, daß ich diesen Beruf gerne ausübe, weil ich viel initiieren und umsetzen konnte und weil mir der Umgang mit den Menschen Freude bereitet. Für eine weitere Kandidatur stehe ich natürlich wieder zur Verfügung.

Bürgernähe ist eines Ihrer Markenzeichen. Lässt sich diese Art des Bürgerdialoges noch weiter entwickeln?

Ich habe Bürgersprechstunden, Stadtteilversammlungen und regelmäßige Gespräche mit Bürgervertretern eingeführt. Dieser Dialog ist mir sehr wichtig und ich bin jederzeit aufgeschlossen, weitere Angebote in dieser Richtung anzuneh- men.

Kritische Stimmen halten Ihnen vor, dass Sie sich zu wenig um die Probleme der Unternehmer kümmern. 

Das kann ich aus meiner Sicht so nicht bestätigen, denn ich halte zu den größeren Betrieben unserer Stadt regelmäßigen Kontakt und helfe im einen oder anderen Fall auch bei der Umsetzung von Erweiterungsmöglichkeiten oder anderen Problemen. Mit dem Wirtschaftsförderungsverband, der insbesondere den Einzelhandel in der Stadt vertritt, habe ich einen laufenden, engen Kontakt, um Probleme zu besprechen und einer Lösung zuzuführen. Natürlich gibt es auch unterschiedliche Ansichten zu einzelnen Themen. Aber gerade hierzu gehört der laufende Dialog.

Was sagen Sie zu Stoibers politischem Abgang?

Wenn es für einen Ministerpräsidenten in Bayern die gleiche rechtliche Situation wie für Bürgermeister gäbe, nämlich dass man nach dem 65. Lebensjahr nicht mehr für das Amt kandidieren darf, wäre ihm diese unangenehme Situation erspart geblieben.

Zum Schluss vielleicht noch einen Appell an die Bürger?

Mit der lange anhaltenden weltweiten Wirtschaftsflaute, der Globalisierung im allgemeinen und der Ostöffnung im speziellen hat sich der Wettbewerbsdruck insbesondere in den industrialisierten Staaten und damit auch bei uns erhöht, so dass immer mehr Menschen mit Arbeitslosigkeit, mangelnder Perspektive oder berechtigter Sorge um den Arbeitsplatz konfrontiert sind. Selbst lebenslanges Lernen ist kein Allheilmittel und keine Garantie für einen sicheren Arbeitsplatz, weil mittlerweile Komponenten mitspielen, auf die jeder einzelne von uns keinen Einfluss mehr hat. In dieser Situation und angesichts dieser Hintergründe ist mehr denn je gemeinschaftliches Denken und Handeln - nicht nur im Bezug auf Arbeits- platz, sondern als gesellschaftliches Leitmotiv in allen Lebenslagen - gefragt, denn es kann und darf keine Gesellschaft geben, die sich in Gewinner und Ver- lierer unterteilt: schließlich wollen und müssen wir auch miteinander leben. Und wenn sich dieses Leitmotiv nur dadurch manifestiert, dass wir Informationen über mögliche uns bekannte Jobchancen an Jobsuchende in der Nachbarschaft weiter- geben, handeln wir bereits gemeinschaftlich und kollegial. Städte und Gemeinden müssen sparen und den Einsatz der vorhandenen Mittel genau überlegen. Wie im Privatleben, wie im Beruf, wie im Geschäftsalltag, so ist es auch auf Gemeinde- ebene: Wenn man mehr zusammenrückt, sind die Aufgaben einfacher und leich- ter zu bewältigen. Jedes ehrenamtliche Engagement erspart uns Geld, ebenso wie jeder nicht unachtsam in den Straßenrand geworfene Unrat, ebenso wie jedes nicht zertrümmerte Spielgerät, ebenso wie jede Form von Zivilcourage gegen Vandalismus und Schaden am Allgemeinwohl.

Herr Kölbl, besten Dank für das ausführliche Gespräch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG