Kalender
Atom Uhr

GABRIELE BAUER

Oberbürgermeisterin Rosenheim
Edition: Rosenheim 2003

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Die Kommunalwahl 2002 bescherte den Rosenheimern eine neue Oberbürgermeisterin. Mittlerweile fast ein Jahr im Amt, zieht Gabriele Bauer hier eine kurze Bilanz ihrer Tätigkeit und wagt einen Blick in die Zukunft der Stadt. Die STADTBROSCHÜRE zu Besuch bei Rosenheims Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer.

 

 

Frau Bauer, gehen wir gleich ins Detail: Sie konnten sich mit den Problemen Rosenheims in den vergangenen Monaten eingehend beschäftigen, wie sehen Sie die Zukunft der Innstadt?

Die Zukunft sehe ich trotz aller momentaner Schwierigkeiten positiv. Wirtschaftlich gesehen verfügt Rosenheim über einen gesunden Branchenmix. Die bei uns angesiedelten Betriebe sind weder zu groß noch zu klein und mit den Global-Playern wie zum Beispiel Kathrein, Kettner, Gabor und Danone GmbH haben wir hier auch gestandene Firmen, die uns vor größeren Zusammenbrüchen im letzten Jahr verschont haben. Als Oberbürgermeisterin lege ich natürlich großen Wert darauf, mit allen Unternehmen in ständigem Kontakt zu bleiben, um gemeinsam wichtige Fragen erörtern zu können. Ich sehe aber auch ein weiteres Entwicklungspotenzial in einzelnen Profilen, die unsere Stadt hat: zum Beispiel unsere Holzkompetenz. Wir haben sowohl mit der Fachhochschule als auch mit der staatlichen Techniker- schule, dem IFT und dem Lehrinstitut, aber auch mit unserer Holzindustrie ein Alleinstellungsmerkmal, das uns einen positiven Blick in die Zukunft ermöglicht. Das gilt auch für die Bereiche Informations- und Kommunikationtechnologie, hier vor allem mit unserem Breitbandkabelnetz, einem Bereich, den wir weiter entwickeln können. Damit können wir auch kleineren Firmen eine Chance geben, im Bereich der Stadt neue Existenzen zu gründen. Neuanfänger unterstützen wir auch mit unserem Dienstleistungszentrum, in dem sich junge, innovative Unternehmen ansiedeln können. Auch verkehrstechnisch gesehen verfügen wir über eine her- vorragende Ausgangssituation, denn wir liegen ja direkt an einer der wichtigsten Autobahnen, die den Norden mit dem Süden Europas verbindet und an einem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt. Nur flächenmäßig haben wir Probleme, denn mit 37 Quadratkilometer Flächenumfang sind wir die zweitkleinste kreisfreie Stadt Bayerns. Was letztendlich bedeutet, dass wir nicht in unbegrenztem Maße Gewerbegebiete ausweisen können, weil das Platzangebot begrenzt ist. Deshalb sind wir auch bemüht, unsere Brachflächen in der Stadt neu zu beleben, um unter anderem neue Kapazitäten für Existenzgründer und Handwerksbetriebe schaffen zu können. Zusammen mit unserem Profil als Einkaufs-, Kongress- und Ausstellungsstadt unser Lokschuppen und unsere Galerie sind überregional bekannt und beachtet- sind wir gut gerüstet und können beruhigt in die Zukunft sehen. 

Die rot-grünen Arbeitsmarkterfolge waren eher mager und wurden auch nach der letzten Wahl nicht besser. Was werden Sie unternehmen, um die Beschäftigungsquote in Rosenheim zukünftig möglichst hoch zu halten?

Ich glaube, dass in der heutigen Zeit jede Stadt für sich aufgefordert ist, alles nur Mögliche zu unternehmen um die Arbeitsplatzsituation vor Ort zu regeln. Dazu bedarf es des ganz persönlichen Engagements nicht nur einer Oberbürgermeisterin, sondern des gesamten Stadtrates und vor allem auch der gesamten Verwaltung. Dank einer soliden Wirtschaftsstruktur und des bereits erwähnten krisensicheren Branchenmixes präsentiert der Arbeitsmarkt in Rosenheim ein weitaus positiveres Bild als vergleichbare Städte oder der Bundesdurchschnitt. Und damit dies auch zukünftig so bleibt, haben wir eine aktive städtische Wirtschaftsförderungsabteilung. Hier erhält jeder der sich in Rosenheim ansiedeln möchte, alle nur erdenklichen Informationen und Unterlagen, die unsere Stadt als idealen Standort aus- weisen und natürlich auch fachlich versierte Antworten auf alle Fragen.

Haben Sie feststellen müssen, dass sich manche Ziele doch nicht so schnell umsetzen lassen?

Ich war sechs Jahre Fraktionsvorsitzende der CSU in Rosenheim und kenne daher die Abläufe in einer Stadtpolitik sehr genau. Deshalb habe ich mir auch keine großen Illusionen gemacht, dass ich ganz schnell alle Probleme lösen kann. Aber ich werde alles daran setzen, die Dinge von denen ich glaube, daß sie wichtig für unsere Stadt sind, weiter auf den zu Weg bringen. Denn keine großen Illusionen bedeutet nicht, gleichzeitig keine Visionen zu haben. Das wiederum heißt, zukunfts- orientierte Stadtentwicklung, familien-, kinder- und seniorenfreundliche Rahmenbedingungen und eine aktive Bürgergesellschaft. Natürlich gehört dazu ein Stadtrat mit 44 eigenständigen Persönlichkeiten, die das Ganze mittragen müssen und sollen.

Dazu gehört auch, eingefahrene Strukturen aufzuweichen um in einer Verwaltung etwas Neues bewerkstelligen zu können, oder?

Unsere Verwaltung ist meines Erachtens sehr flexibel, was letztendlich aber auch daran liegt, dass wir über alle Dinge offen sprechen. Natürlich ist manches eingefahren, aber ich bin auch der Überzeugung, dass es in einem stetigen Austausch mit den Mitarbeitern schon gut möglich ist, durch zusätzliche Motivationschritte auch neue Wege zu beschreiten.

Ist die Stadtkasse noch gut gefüllt, oder hat sich die schlechte wirtschaftliche Lage auch hier ausgewirkt?

Natürlich haben wir Probleme bezüglich der finanziellen Situation und es gestaltet sich auch immer schwieriger, den Etat auszugleichen. Wir haben zum Beispiel im letzten Jahr eine Haushaltssperre erlassen und einen Nachtragshaushalt erstellen müssen, weil wir Einbrüche nicht nur in der Gewerbesteuer, sondern auch in der Einkommensteuer hatten. Wir befinden uns damit aber in einer Situation, die alle Kommunen in Deutschland gleich betrifft, sind also nicht die einzigen. Aber ich denke, im Verhältnis zu vielen anderen geht es uns noch einigermaßen gut. Bezogen auf den Haushalt 2003 werden wir weiter den Rotstift ansetzen müssen und alle Maßnahmen auf den Prüfstand stellen. Auf der anderen Seite gibt es aber Dinge, die dringend notwendig sind für diese Stadt. Dazu gehören Schulneubauten und Straßen, dazu gehören Infrastrukturmaßnahmen und selbstverständlich dürfen wir auch die hohen Kosten für unser Klinikum, ein Schwerpunktkrankenhaus, nicht vergessen.

Warum krankt unsere Wirtschaft?

Wir sind Teil des globalen Wettbewerbs und müssen uns diesem natürlich stellen. Als besonders schwierig stellt sich für unsere Unternehmen vor allem die Wettbewerbsverzerrung innerhalb Europas dar. Unsere Lohnnebenkosten beispielsweise sind derartig hoch, dass wir letztendlich nicht mithalten können mit der Gesamt- wirtschaft. Und das ist nur eines von vielen Beispielen, bei dem ich grundsätzlichen Handlungsbedarf sehe. Als Kommune sind wir den gesamtdeutschen wirtschaftlichen und steuerpolitischen Voraussetzungen ausgeliefert. Wir können unsere Unternehmer im Prinzip aber zum Beispiel dadurch unterstützen, indem wir auf Verwaltungsebene aber auch auf politischer Ebene schnelle und positive Entscheidungen herbeiführen. Alles andere liegt nicht in unserer Hand und muss auf höherer Ebene gelöst werden.

Wie sehen Sie die Zukunft des Einzelhandels dieser Stadt?

Der Einzelhandel funktioniert noch relativ gut, unsere Kennzahlen belegen dies. Aber es ist schon so, dass es auch in Rosenheim die gleichen Probleme wie in allen anderen Städten auch gibt. Hohe Personalkosten auf der einen und hohe Mieten auf der anderen Seite sorgen dafür, dass es sich für einige Einzelhändler nicht mehr lohnt. Dazu kommen noch der verschärfte Wettbewerb und eine mobile Gesellschaft, die dahin fährt, wo es am günstigsten ist. 

Was fehlt Ihrer Meinung nach, wo sehen Sie Chancen für Jungunternehmer?

Im Einzelhandelsbereich bietet Rosenheim schon eine große Vielfalt, da fehlt eigentlich wenig. Vielleicht würde sich noch die Eröffnung eines guten Kinderspielzeugladens oder Musikalienhandels lohnen. Aber das wäre jetzt lediglich Einzel- punkte, die mir spontan einfallen. Im Endeffekt ist es so, daß Rosenheim ein aus- gewogener Branchenmix auch im Einzelhandel zur Verfügung steht, was mir von allen Seiten stets bestätigt wird und den es zu erhalten gilt.

Was gefällt Ihnen an Rosenheim überhaupt nicht, was wollen Sie unbedingt ändern?

Die Verkehrssituation. Daran arbeiten wir zielstrebig und ich hoffe, dass wir es auch bald schaffen, unsere Ideen umzusetzen. Wir brauchen unbedingt die Aufweitung der Kufsteiner Straße, einer der wichtigsten Einfahrtstraßen nach Rosenheim und wir brauchen die Entlastungsstraße Panorama-Schwaig; mit der Westumfahrung sind wir ja bereits auf einem guten Weg.

Viele Bürgermeisterkollegen sehen ihre Stadtverwaltung zunehmend als Dienstleistungsunternehmen, trotzdem hat sich nichts Wesentliches verändert. Vorschriften und bürokratische Entscheidungen innovativer Unternehmer werden häufig dadurch im Keim bereits erstickt.

Daran arbeiten wir täglich. Wir versuchen, uns möglichst für die Zukunft zu präparieren, haben sehr viele Bereiche, die wir zum Beispiel über das virtuelle Rathaus im E-Goverment abwickeln können. Eine Einrichtung, die ich gerne hätte, wäre ein Call-Center für Behinderte. Eine fachlich fundierte Ansprechstelle für alle Bürger, die Antwort auf alle Fragen geben kann. Und auch daran arbeiten wir derzeit und ich bin guter Zuversicht, dass wir das bald realisieren werden. Leider muss ich jedoch immer wieder feststellen, dass innovative Unternehmen, die positiv von der Verwaltung unterstützt werden, durch Bürgerinitiativen behindert oder gar abgelehnt werden. 

Käme ein junger Mensch auf Sie zu und würde nach dem Rezept einer glücklichen und gesicherten Zukunft fragen, was würden Sie ihm raten?

Ein Patentrezept gibt es meines Erachtens nicht, aber ich würde ihm raten, sein Leben in die Hand zu nehmen, alles dafür zu tun und vor allem in seinem Bestreben nicht nachzulassen. In diesem Zusammenhang würde ich mir auch wünschen, dass manche Menschen einfach mehr Geduld und mehr Ausdauer aufbringen. Um die Probleme der heutigen schnelllebigen Zeit wirklich bewältigen zu können, bedarf es jetzt mehr denn je an Durchhaltevermögen, Flexibilität und des Willen zum lebenslangen Lernen.

Die Mehrheit der Wähler sind, auf Bundesebene gesehen, die Frauen. Was macht die Politik für Frauen interessant?

Also ich glaube, dass Frauen sich deshalb so intensiv mit Politik auseinander setzen, weil Politik alle Bereiche unseres Lebens umfasst. Frauen sind heute aktiver und selbstbewusster, sind durch Ausbildung und Berufsleben auf quasi allen Ebenen zu Hause. Gleichzeitig setzen sich Frauen mit ihrem sozialen Umfeld auseinander, sind in Schulen und Kindergärten als Elternbeiräte vertreten und arbeiten aktiv in Vereinen und Verbänden mit. Dass sie sich naturgemäß gerade für Umweltbelange sehr stark einsetzen, liegt vor allem auch an dem Bestreben, für die Familie und die Zukunft unserer Kinder eine gesunde Umwelt zu erhalten oder zu fördern.

Ihr schönster beruflicher Höhenflug nach der Wahl zur Oberbürgermeisterin. Hatten Sie ein besonderes Erlebnis?

Neben den zahlreichen menschlichen Begegnungen, die immer ein besonderes Erlebnis darstellten, war es für mich in dieser Zeit wohl das größte Erlebnis mit dabei sein zu dürfen, als in Rosenheim der Grundstein für eine neue Kirche gelegt wurde. Aber auch jetzt bei der Eröffnung wieder mit dabei sein zu können und erleben zu dürfen, wie diese Kirche eine großen Zahl von Menschen in ein neues Gemeindeleben einfügt, hat mich sehr bewegt.

Wie viele Legislaturperioden haben Sie sich vorgenommen?

Ich bin der Auffassung, dass sicherlich schon zwei Legislaturperioden nötig sind, um wichtige Dinge für unsere Stadt umsetzen zu können, die man sich vorgenommen hat. Entscheiden muß aber der Wähler.

Frau Bauer, besten Dank für dieses Gespräch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG