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WOLFGANG ALTMÜLLER

Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen-Volksbank Altötting-Mühldorf eG
Edition: Mühldorf 2009

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Reden wir über Geld!

Wolfgang Altmüller, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen-Volksbank in den Landkreisen Altötting-Mühldorf eG, spricht hier über die aktuelle Finanzkrise, über Geld im Allgemeinen und auch mal über sich...

Herr Altmüller, das Image der Banken weltweit hat in den vergangenen Monaten erheblichen Schaden genommen. Löst bei Ihnen das Comeback der Volks- und Raiffeisenbanken nicht ein leises Triumphgefühl aus?

Angesichts der derzeitigen Krise verbietet sich das. Nichts desto trotz freuen wir uns natürlich sehr, dass unser konservatives Geschäftsmodell, das lange als unzeitgemäß galt, zudem mit niedrigeren Renditen aufwartete, nun eine Renaissance erlebt. Unser Geschäftsmodell hat sich in der Krise bewährt. Nicht nur das Image, auch das Vertrauen der Kunden in die Banken allgemein ist deutlich geringer geworden. Generell haben wir als Raiffeisenbank eine andere Kundenbeziehung als die Geschäfts- oder Direktbanken: Ein persönliches Vertrauensverhältnis und der regelmäßige Kontakt zwischen den Bankmitarbeitern und Kunden sind die Basis unserer täglichen Arbeit. Diese Philosophie hat sich - gerade auch jetzt in der Krise - bewährt. Natürlich gab es zu Beginn der Finanzkrise vereinzelt verunsicherte Anleger, doch die von allen gefürchtete Bankenflucht hat bei uns nicht stattgefunden. Im Gegenteil: Zahlreiche Neukunden haben unter dem Aspekt der Sicherheit und des Vertrauens einen Wechsel zur heimischen Regionalbank vollzogen.

Inwieweit unterscheidet sich denn generell die Geschäftspolitik der Volks- und Raiffeisenbanken von der anderer Banken? 

Wir sind alleine unseren Kunden verpflichtet und nicht dem bis vor kurzem so gepriesenen Shareholder Value Prinzip der Geschäfts- und Direktbanken, das nur die Steigerung des Aktienwertes verfolgt. Wir fördern die regionale Wirtschaft, sowohl mit Einlagen als auch mit Krediten. Das heißt, als regionale Bank nehmen wir das Geld von unseren Kunden und Mitgliedern in unserer Heimat an und geben es auch an die Menschen in der Heimat in Form von Krediten an private und gewerbliche Kunden zurück.

Derzeit ist von erheblichen Kredit-Engpässen für mittelständische Unternehmen die Rede. Gibt es diese tatsächlich und wenn ja, wie groß sind diese? 

Ob man derzeit tatsächlich von einem Kredit-Engpass für mittelständische Unternehmen sprechen darf, kann man so generell nicht sagen. Fest steht aber, dass wir sowohl für das mittelständische Kreditgeschäft als auch für das Kreditgeschäft für den Privatkunden weiterhin Verantwortung übernehmen. 

Können Sie Zahlen nennen?

Den Zahlen nach haben wir 2008 bei einem Gesamtkreditvolumen von 900 Millionen Euro fast 53 Prozent der Kredite an Betriebe in unserer Region vergeben. Von einer Kreditklemme kann also zumindest bei uns nicht die Rede sein. Wir haben im letzen Jahr das Kreditvolumen um vier Prozent steigern können und erwarten dieses Ergebnis auch für 2009. Die Zeiten dazu sind günstig und der bisherige Geschäftsverlauf lässt dies auch realistisch erscheinen.

Wie erleben Ihre Privat- und Geschäftskunden die derzeitige Krise? Hat sich das Anlageverhalten in den letzten Monaten verändert? 

Bei den Anlegern hat die Einlagensicherung vor dem Hintergrund der Turbulenzen an den Weltfinanzmärkten an Bedeutung zugenommen. Das heißt also, Sicherheit geht vor Rendite. Für uns macht es sich bezahlt, dass wir als heimische Regionalbank seit jeher die Aspekte der Sicherheit und des Vertrauens besonders groß geschrieben haben. 

Viele andere Banken geben im Vergleich zu den Regionalbanken höhere Zinsen, zum Beispiel beim Tagesgeld.

Es wird immer jemanden geben, der sich ausschließlich über den Preis definiert, oder, wie in diesem Fall, über den Zinssatz. Dabei muss jeder Anleger von Tagesgeldern wissen, warum andere Banken einen höheren Zinssatz geben. Der Grund kann nur darin liegen, dass diese Banken Liquidität brauchen, die sie sonst bei anderen Banken zu den Konditionen nicht bekämen. Damit enthält dieser hohe Zinssatz ein Risiko, das jedem Anleger bewusst sein muss. Die sichere Anlage ohne Risikozuschlag erhält er aktuell vor allem bei den Raiffeisenbanken. Besorgnis erregend könnte es dann werden, wenn die unter dem Rettungsschirm stehenden Banken nicht marktgerechte, überhöhte Konditionen bezahlen und es damit zu einer klaren Wettbewerbsverzerrung kommt. Zwischen uns, den Regionalbanken, und auch allen anderen Instituten, die keine staatliche Stützung erfahren haben.

Wie schätzen Sie den weiteren Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise generell ein? 

Wir gehen davon aus, dass bis Mitte nächsten Jahres eine Konsolidierung auf den Finanzmärkten stattgefunden hat. Danach erwarten wir noch eine längere Phase zögernden Wachstums.

Ihr Statement zum Verkauf von Kundenforderungen.

Unsere Kunden können darauf vertrauen, dass wir ihre Kredite grundsätzlich nicht verkaufen. Auch bei Schwierigkeiten begleiten die Genossenschaftsbanken ihre Kunden, die Weitergabe notleidender Kredite an eine spezielle Sanierungsbank gibt es nur in ganz engen Grenzen und in einer wirklich verschwindend geringen Zahl.

Womit kann man denn heute noch überdurchschnittliche Renditen erzielen?

Überdurchschnittliche Renditen kann man nur mit überdurchschnittlich hohem Risiko oder mit einer echten Innovation, bei der man den Innovationsaufschlag realisieren kann, erzielen. Im Übrigen erschließt es sich mir nicht, wie man Renditen erzielen soll, die sehr weit über dem Kapitalmarkt liegen.

Thema Aktien. Ist hier der Zug schon wieder abgefahren oder haben Neueinsteiger noch Möglichkeiten?

Das ist die Frage, die mir wohl am meisten gestellt wird. Niemand kennt den richtigen Zeitpunkt, im Aktienhandel einzusteigen. Grundsätzlich ist es aber so, dass man es lieber fast richtig macht, als hundertprozentig falsch. Wenn man den Expertenmeinungen trauen darf oder folgen möchte, dann könnte man durchaus noch ein wenig abwarten.

Man sagt, Banken geht es in wirtschaftlich guten Zeiten nicht schlecht, in schlechten Zeiten aber noch besser. Ist da was dran?

Wenn man sich die derzeitige Lage anschaut und wenn man sich vor Augen hält, dass viele Banken ohne den Rettungsschirm nicht mehr selbstständig existieren können, glaube ich, ist das widerlegt.

Was sagen Sie zu dem oft schon gehörten Vorwurf: Wenn derjenige, der am Schalter einer Bank von optimaler Geldanlage wirklich Ahnung hätte, stünde er nicht dort?

Den Spruch kenne ich natürlich, aber dazu muss man auch erst einmal über ein eigenes Grundvermögen verfügen, sonst gibt es nämlich nichts zu verwalten und nichts, womit man Geld verdienen kann. Es wird doch nicht jeder mit einem Vermögen geboren, dessen Verwaltung es ermöglicht, nur davon leben zu können. Ich kann Sie also beruhigen, bei uns stehen wirklich Spezialisten zur Verfügung, die ihr Fach verstehen und unsere Geschäftsphilosophie von der individuellen Beratung bis ins kleinste Detail umsetzen. Jedes Vermögen ist schließlich unterschiedlich groß und damit ist auch die Struktur der Beratung sehr unterschiedlich, ebenso die Risikotragfähigkeit und die Risikoneigung.

Haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, dass unsere Bundespolitiker sich nur damit beschäftigen, den arbeitenden Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen?

Naja, im Allgemeinen mögen Sie schon Recht haben, dass dieser Eindruck entstehen könnte. Es ist allerdings schon so, dass sich die Zusammenhänge immer sehr komplex darstellen. Es steht mir also nicht an, pauschal Politikerschelte zu erteilen. Auf der anderen Seite steht es mir aber auch nicht an, pauschal Politiker in Schutz nehmen zu müssen - das können sie selbst am besten.

Was sollte Ihrer Meinung nach geschehen, damit die finanzielle Allgemeinbildung verbessert wird?

Sie haben Recht, um die finanzielle Allgemeinbildung ist es manchmal wirklich schlecht bestellt. Geld darf vor allem kein Tabuthema mehr sein. Wenn keiner darüber spricht, kann es sich auch nur schlecht im Bewusstsein der Bevölkerung verankern. Finanzielle Bildung sollte möglichst schon in der Schule vermittelt werden. Das Wehklagen vieler Privatanleger in der aktuellen Wirtschaftskrise kann man auch an einer ganz einfachen Grundregel festmachen: Höhere Erträge - höheres Risiko. In Zeiten allgemeiner oder persönlicher Euphorie wird dies gerne außer Acht gelassen. Wer diese Regel beherzigt, hat das Einmaleins des Geldes schon relativ gut verstanden.

Ihr persönlicher Werdegang?

Ich bin Jahrgang 1966, verheiratet und Vater eines Sohnes. 1989 begann ich meine Ausbildung zum Bankkaufmann, 1994 folgte das Studium der Betriebswirtschaftslehre zum Diplom-Betriebswirt-FH. Es folgte eine Ausbildung zum Verbandsprüfer, 2000 wurde ich Bereichsdirektor und Mitglied des Geschäftsführungsausschusses der Raiffeisen-Volksbank im Landkreis Altötting eG, 2005 dann die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstandes der Raiffeisen-Volksbank in den Landkreisen Altötting-Mühldorf eG. Im Genossenschaftsverband fungiere ich seit 2009 als Präsident des Bezirksverbandes Oberbayern, außerdem bin ich Mitglied des Verbandsrates. Als Beirat stehe ich seit 2005 der Allianz Versicherungs AG sowie der Süddeutschen Krankenversicherung a.G. zur Verfügung.

Wie lautet Ihre Erfolgsphilosophie?

Man sollte nie die Bodenhaftung verlieren.

Das verbindet uns.

Schön zu wissen. Erfolg hat doch immer etwas mit Arbeit zu tun, allerdings gehört natürlich auch der Funken Glück und ein „gutes Händchen“ dazu, im Leben erfolgreich zu sein.

Welche Voraussetzungen muss ein Bankvorstand erfüllen?

Unternehmerisches Denken und Handeln. 

Erinnern Sie sich noch an den Fall, der Ihrer Bank das meiste Geld gekostet hat, wo sie wirklich richtig draufgezahlt haben?

Wir gehen nur Geschäfte ein, die mit unserer Risikotragfähigkeit vereinbar sind, also wo Chance und Risiko im vernünftigen Verhältnis stehen. Geschäfte, die unter Umständen den Ruin der Bank bedeuten könnten, gibt es nicht. Allerdings hatten wir auch mal Länder-Anleihen von Argentinien, mit denen wir nach der Bereinigung dort - wie viele andere Anleger auch - Geld verloren haben. 

Die Werbung um neue Kunden hat sich in den letzten Jahren sicherlich verändert. Wie lenken Sie die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf die Vorzüge Ihrer Bank?

Wir haben in den letzten Jahren ganz stark auf Veranstaltungen gesetzt, laden unsere Kunden ein, geben ihnen wichtige Information, sorgen für die Unterhaltung und pflegen mit diesen Kontakten, die oftmals sehr persönlich sind, die Bindung zu unserer Bank.

Ich selbst bin Mitglied und Beirat einer Genossenschaftsbank und habe vor Jahren immer schon davor gewarnt, Kunden vom Schalter wegzulotsen. Heute fehlt oft der persönliche Kontakt zum Kunden, sodass sicherlich das eine oder andere Geschäft gar nicht mehr zustande kommt. Geben Sie mir da Recht?

Da haben Sie sehr wohl Recht. Vor zehn, 15 Jahren, als die Geld- und Kontoauszugsausgabe auf Selbstbedienungsgeräte umgestellt wurde, haben auch wir über diese Innovation eine große Freude gehabt und vielleicht da und dort übersehen, dass viele Kunden gar nicht mehr zu unserem Schalter kommen. Natürlich hat das dazu geführt, dass der Kontakt etwas geschwächt wurde, aber wir arbeiten auch seit Jahren wieder an einer Verbesserung.

Als Vorstand sind Sie mit 5.000 Euro plus Spesen im Monat eigentlich relativ gut bezahlt, oder?

Doch ja, aber ich kann Ihnen verraten, dass es sogar ein wenig mehr ist. Im Übrigen achten wir aber auch bei unseren Mitarbeitern darauf, dass wir leistungsgerechte Gehälter bezahlen. Und wenn wir schon über Gehälter sprechen, möchte ich auch meine Meinung in Bezug auf die jetzt so oft zitierten Managergehälter kundtun: In der Schieflage sollten diese auch ein Punkt sein, über die man diskutieren muss.

Sprechen Sie mit Ihrer Frau über Ihre Finanzen?

Natürlich. Spätestens seit der Vorwerk-Werbung weiß man doch, dass Frauen die besseren Finanzmanager sind.

Was tun Sie mit Ihrem Geld, um Spaß zu haben?

Das ist eine gute Frage. Während des Studiums hatte ich fast gar kein Geld, dafür mehr Zeit. Heute habe ich etwas mehr Geld, aber leider kaum noch Zeit. Es gibt keine ungewöhnlichen Hobbys, eigentlich mache ich nur das, was jeder andere auch macht. Ich bin zwar ein Autofan, aber auch auf diesem Gebiet bewege ich mich durchaus im ganz normalen Bereich. Ab und zu ein wenig Urlaub - mehr ist da nicht.

Wem würden Sie kein Geld anvertrauen, auch wenn der Profit noch so groß wäre?

Jedem, der mir eine sehr hohe Rendite verspricht. Den Grund dafür haben wir ja bereits ausgiebig besprochen.

Wie würden Sie Reichtum definieren?

Die Frage verführt fast zu einem Spagat. Dennoch: Reich definiere ich denjenigen, der über seine Zeit frei verfügen kann, der unabhängig von Weisungen sein Leben leben kann.

Können Sie den Begriff „Schlauheit“ definieren?

Wenn man den normalen Menschenverstand als Schlauheit betrachtet, dann kommt man schon ganz gut durchs Leben. Dann gibt es ja noch den Begriff der „Bauernschläue“, den ich irgendwo auch mit Hochachtung als eine Mischung aus Bauchgefühl, harten Fakten und guten Kenntnissen definieren würde.

Wo haben Sie im Leben jemals versagt?

Vielleicht hätte ich zur rechten Zeit noch an ein zweites Kind denken sollen, ansonsten fällt mir dazu nichts ein.

Sie sind als Vorstandsvorsitzender beruflich sehr eingespannt, sitzen in verschiedenen Gremien, sind Mitglied im Lions-Club und ständig präsent. Was tun Sie in Ihrer Freizeit?

Laufen oder Radfahren, auch ein Schaufensterbummel gehört mal dazu. Alles ganz normale Dinge.

Herr Altmüller, besten Dank für das Gespräch.

     
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